Games_Madden NFL 09
Rasenschach
Walter Reiterer, Chefredakteur von "Football Austria" und diesjähriger Gewinner des österreichischen Sportjournalistenpreises, hat mit seinem Kollegen Hany Razi für den EVOLVER - Österreichs beste Netzzeitschrift - EAs jüngste Auflage des amerikanischen Lieblingsspiels auf Herz und Nieren getestet.
21.10.2008
Mit der zwanzigsten Auflage des Sportspielklassikers "Madden NFL" erfüllt Electronic Arts wieder einmal alle Erwartungen. Graphisch gibt das Spiel auf der PS3 viel her, wenn auch das volle Potential der Next-Gen-Konsole noch nicht voll ausgeschöpft sein dürfte. Der Trend ist jedoch klar ersichtlich. Die Darstellung ist realistischer geworden, das Gameplay fühlt sich insgesamt flüssiger an als bei den Vorgängern. Auch die Physik-Engine wurde überarbeitet, und so schaut alles noch ein wenig realistischer aus.
Spielerisch haben die Entwickler insbesondere das Tackling ins Visier genommen. So sind Konsolen-Football-Profis nicht mehr dazu verdonnert, bei einem Tackle-Versuch eines Teamkollegen tatenlos zuzusehen, sondern können direkt ins Geschehen eingreifen. Auch die Belegung der Knöpfe hat man überdacht und ihre Anordnung nach langer Zeit generalüberholt. Dadurch rückt der Highlight-Stick etwas mehr in den Mittelpunkt: Es ist eine wahre Freude, den Gegner durch gezielte Juke-Steps, Truck & Spin-Moves und Stiff-Arms zur Verzweiflung zu treiben. Auch in der Defense kommt einem die Neubelegung der Knöpfe sehr entgegen, da dadurch der Einsatz des Hitsticks bzw. das Erzwingen eines Fumbles stark erleichtert wurde. Einziges Manko ist, daß dadurch der Realismus ein wenig auf der Strecke bleibt. Man produziert verpaßte Tackles und Ballverluste wie am Fließband - in einem Ausmaß also, das man in einer Profiliga kaum erwarten würde.
Eine weitere Finesse ist die automatische Anpassung des Schwierigkeitsgrads. Gleich zu Beginn sticht der Madden-Test ins Auge. Hier werden verschiedene Bereiche des Spiels (Lauf, Paß, Laufverteidigung, Paßverteidigung) abgeprüft - verpackt in ein witziges Mini-Game. Anschließend errechnet das Spiel für jeden dieser Bereiche einen eigenen Schwierigkeitsgrad und stellt ihn auch gleich ein. Dieser Wert heißt "Madden IQ" und soll den Spielspaß möglichst lange garantieren. Das Game paßt sich dann von Partie zu Partie neu an den User an und ermöglicht damit immer wieder spannende, herausfordernde Spiele.
Natürlich kommt auch die beste AI nicht gegen einen menschlichen Gegner an - daher ist das gepflegte Sportspiel zu zweit immer noch die beste Alternative. Wer allerdings keinen Football-begeisterten Mitspieler in der Nähe hat, kann sich natürlich auch online wieder in kürzester Zeit einen Mitstreiter suchen. Angesichts des reformierten Playcalling-Modus ist es wahrscheinlich auch nicht die schlechteste Idee, den Spielpartner nicht neben sich sitzen zu haben. Dank dieser Funktion kann nämlich - anders als bei den Vorgängern - der Couch-Nachbar sofort erkennen, welchen Spielzug man sich ausgesucht hat, da im Playcalling-Screen nur noch das gekennzeichnete Play ausgewählt werden kann. In einem von Taktik geprägten Spiel ist das vielleicht nicht die beste aller Ideen; da entwickeln sich bald Diskussionen, ob der Mitspieler rein zufällig immer genau den richtigen Spielzug ausgewählt hat oder nicht vielleicht doch das eine oder andere Mal hinübergeschielt hat.
Für die Langzeitmotivation ist mit den üblichen Verdächtigen Franchise- und Superstar-Modus wieder einmal gesorgt. Allerdings wurde der Superstar-Modus etwas schwieriger gestaltet, sodaß es eine echte Herausforderung ist, einen waschechten Superstar zu kreieren. Einziger Kritikpunkt hier ist, daß es vollkommen unbedeutend ist, wie stark oder schwach der fiktive Spieler ist: Er ist von Beginn weg Starter auf seiner Position und muß sich nicht erst wie im realen Leben den Weg in die Stammformation erkämpfen. Dafür kann man allerdings seit der heurigen Version die Spielzeiten, in denen der Superstar nicht auf dem Feld steht, simulieren.
EA Sports ist hier - fast schon klassisch, möchte man meinen - ein großer Wurf gelungen. Auf den alten Konsolen war die Graphik-Engine bereits voll ausgereizt. Bei den beiden Vorgängern konnte man graphisch keine Weiterentwicklung mehr erkennen, wodurch der Anreiz, auf die jeweils neuere Version umzusteigen, deutlich geringer war. Jetzt aber kann man wieder aus dem vollen schöpfen - und ist gelegentlich versucht, ein lautes "Autsch!" von sich zu geben, wenn ein Brian Urlacher ungebremst in den eigenen Spieler einschlägt.
Der Madden-Fluch
Kurios ist heuer übrigens die Auswahl des Cover-Athleten. Mit Brett Favre hat man vermutlich nicht die schlechteste Wahl getroffen, den Sportler allerdings im Green-Bay-Jersey abgebildet. Bekanntermaßen ist die lebende Legende jedoch mittlerweile nach New York zu den Jets gezogen. EA Sports bietet allerdings einen Roster-Update samt dazugehörigem Cover zum Download an.
In der Vergangenheit brachte den Spielern ihr Konterfei auf dem Cover wenig Glück. Seit 2001 ziert nicht mehr John Madden selbst das Cover der Spiele, sondern jeweils ein bekannter Spieler der National Football League. Das brachte bisher jedem Unglück. Da Amerikaner - im speziellen Football-Spieler- sehr abergläubisch sind, macht es der sogenannte "Madden-Fluch" für EA immer schwieriger, Spieler fürs Cover zu gewinnen. Mit Brett Favre, der zum Zeitpunkt der Produktion bereits in Pension war, wollte man dieses Mal das böse Omen umgehen - doch dann trat Favre vom Rücktritt zurück und unterschrieb bei den Jets ...
Die Liste der "Verfluchten":
2001: Eddie George (Tennessee Titans) - war mit einem verhauten Paß für das Ausscheiden der Titans in den Playoffs verantwortlich.
2002: Daunte Culpepper (Minnesota Vikings) - der bis dahin höchst erfolgreiche Quarterback warf in der Saison ganze 36 Interceptions.
2003: Marshall Faulk (St. Louis Rams) - verletzte sich und wurde nie wieder der alte.
2004: Michael Vick (Atlanta Falcons) - verletzte sich ebenfalls in der Saison und verbüßt derzeit eine Haftstrafe wegen illegaler Hundekämpfe.
2005: Ray Lewis (Baltimore Ravens) - Verletzungen und eine Seuchensaison für das Tier aus Baltimore
2006: Donovan McNabb (Philadelphia Eagles) - verletzte sich und fiel lange Zeit aus. Die Eagles, Super-Bowl-Teilnehmer vom Vorjahr, erreichten nicht einmal mehr die Playoffs.
2007: Shaun Alexander (Seattle Seahawks) - brach sich den Fuß und verschwand in der Versenkung.
2008: Vince Young (Tennessee Titans) - Verletzung am Oberschenkel
2009: Brett Favre (New York Jets) – to be announced
Ein Manko gibt es übrigens für alle NCAA-Liebhaber. Wer damit liebäugelt, beide Games zu kaufen, sollte das auf dem NTSC-Markt tun. "NCAA" ist für PAL nicht erhältlich und wird es vermutlich auch nicht werden. Und ein Import einer Draft-Class bzw. einer Campus-Legende ist zwischen einer NTSC- und einer PAL-Version auch heuer unmöglich. Das ist insofern eine vollkommen unverständliche Herangehensweise, als daß die PS3 vom Konzept her region free ist - soll heißen, amerikanische Spiele lassen sich momentan ohne Probleme auf einer europäischen PS3 abspielen. In Foren hört man die ersten Bitten, daß hier noch ein Patch erscheinen möge, der diesen Mangel beheben soll.
Hany Razi und Walter Reiterer
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