Games_Lionheart

Raubkatze ohne Krallen

Die "Baldur´s Gate"-Macher und das "Fallout"-Regelwerk in einem Game - dafür würde wohl jeder Rollenspieler seine Seele verkaufen. "Lionheart" will das Geschäft machen...    13.10.2003

Als Richard Löwenherz in den dritten Kreuzzügen den Sultan Saladin tötet und anschließend gleich 3000 von dessen Anhängern hinrichten läßt, nützt dies ein hinterhältiger Berater des Königs für ein geheimnisvolles Ritual. Und das hat zur Folge, daß eine Menge Untote und Dämonen die Erde stürmt, um sie ins Chaos zu stürzen. Soviel zum Alternative-History-Plot von "Lionheart".

Als Gameplay-Grundlage dient das sogenannte Spezial-System, bei dem jeder Buchstabe für ein Attribut des Charakters steht. Dieses in der Anwendung einfache System birgt einige Besonderheiten, die sich im Regelwerk niederschlagen: Im Gegensatz zu den meisten anderen Rollenspielen existieren hier keine Klassen wie Kämpfer, Magier und Dieb, sondern der Charakter wird über die nach und nach erlernten Fähigkeiten definiert. Dies läßt zum einen enormen Freiraum bei der Gestaltung des Helden/der Heldin, ist für Anfänger jedoch wie ein Sprung ins kalte Wasser.

Apropos Hauptcharakter: Bei "Lionheart" generiert und spielt man nur einen einzigen, d. h. man ist nicht mit einer ganzen Gruppe unterwegs. Gelegentlich hat man zwar Begleiter, mit denen man aber - anders als bei "Baldur´s Gate" - keinerlei Konversation führen kann und dadurch auch keine Hintergrundinformationen über die Herrschaften erfährt.

Graphisch orientiert sich "Lionheart" an der guten alten Zweidimensionalität und stellt somit nicht gerade einen Augenschmaus dar. Doch das würde den Spielspaß gar nicht trüben, wenn wenigstens die Story das Eisen aus dem Feuer holen könnte. Nach der Euphorie über das gesehene Intro stellt sich jedoch leider sehr schnell Ernüchterung ein. Die Handlung läßt stark nach; darüber können auch die vielen historischen Figuren wie Cortez oder Macchiavelli nicht hinwegtrösten. Und da die Kämpfe in Echtzeit ausgetragen werden, entwickeln sie sich zu einer Point-and-Click-Orgie mit wenig bis keiner Taktik. So bleiben im Endeffekt nur ein paar gute Ansätze, an deren Umsetzung es leider hakt.

Auch wenn es hart klingt und keiner diese Tatsache wahrhaben will: Das Rollenspielgenre steckt in einem Dilemma. Keinem Spiel scheint so recht der Spagat zwischen alten (Story, Langzeitmotivation) und neuen (zeitgemäßer Graphik, Benutzerfreundlichkeit) Tugenden zu gelingen. Das bedeutet im Falle von "Lionheart", daß die geplagte Rollenspielergemeinde eine weitere Enttäuschung hinnehmen muß und man seine Seele für den Kauf eines anderen Games aufsparen darf. Pech.

 

Christian Krenn

Lionheart

ØØ


(Reflexive/Black Isle)

erhältlich für PC

 

Links:

Kommentare_

Games
Codename Panzers: Phase Two

Gesprengte Ketten

Bereits ein Jahr nach Teil eins steht der Nachfolger in den Regalen. Besorgte Naturen fragen sich daher logischerweise: lauwarmes Add-on oder komplett neue Spielerfahrung?  

Stories
Guild Wars

Einäugig unter Blinden

Die Quadratur des Kreises. Oder wie "Guild Wars" die MMORPGs auf den Kopf stellt und somit auch für Nicht-Studenten und die arbeitende Bevölkerung mehr als einen Blick wert ist.  

Games
Earth 2160

Battlefield Earth

Die Zukunft: vier komplett unterschiedliche Rassen, ein stark verzweigter Technologiebaum, ein jeden Rahmen sprengender Spielumfang - und eine Optik, die heller strahlt als die Sonne.  

Games
Pariah

Too Unreal

Die Macher der "Unreal"-Serie präsentieren ein neues Action-Universum. Allerdings hat man mit den eigenen Spielen die Latte im Shooter-Genre ziemlich hoch gelegt ...  

Games
Fire for Effect

Tactical Espionage Action

Mangels Abwechlsung im Leveldesign reicht dieser streckenweise durchaus spaßige Stealth-Shooter leider nur als dumpfe Ballerei für zwischendurch.  

Games
SWAT 4

Special Weapons And Tactics

Spielerisch gar nicht einmal so schlecht, scheitert der neueste Titel aus dem Hause Sierra an der hohen Qualität der Konkurrenztitel.