Games_Far Cry

Die überübernächste Generation

Bis vor einem Jahr noch als Geheimtip gehandelt, dann unglaublich gehypet - und jetzt läutet das Game doch wirklich eine neue Shooter-Generation ein...    14.04.2004

Was uns "Half-Life 2", "Doom 3" und "S.T.A.L.K.E.R." seit Jahren versprechen (und bis dato höchstens in einigen anschaulichen Videos zeigten), hat "Far Cry" bereits hinter sich: Der Shooter aus dem deutschen Entwicklerstudio CryTek bestand seine Feuertaufe mit Bravour und zeigt den Konkurrenten, die schon seit Ewigkeiten aus fadenscheinigen Gründen verschoben, verschoben und nochmals verschoben werden, mit zahlreichen innovativen Ideen, wo der Bartl den Most holt.

Zugegeben, die Story haut wirklich niemanden vom Hocker: Das Alter ego des Spielers hat sich in die Karibik zurückgezogen, um dort einen Bootsverleih zu betreiben. Auf der Suche nach einer Kundin wird er knapp von einer Rakete verfehlt und durch die Explosion über Bord geschleudert. Nach dem Erwachen (samt heftigen Kopfschmerzen) findet er sich auf einer Insel wieder, die von einer Söldnertruppe kontrolliert wird und auf der seltsame Forschungseinrichtungen betrieben werden... Soviel dazu. Das Spiel selbst hat jedoch einiges mehr zu bieten, und das Gameplay strotzt nur so vor Nervenkitzelelementen.

Die schon im Vorfeld hochgelobte hauseigene Cry-Engine übertrifft alle Hoffnungen und zaubert (die neueste Graphikkarten-Generation und jede Menge Rechen-Power vorausgesetzt) ein optisches Feuerwerk auf den Bildschirm, mit dem kein anderes auf dem Markt befindliches Game auch nur annähernd mithalten kann. Von den Texturen bis zu den Animationen der Gegner stimmt einfach alles. Die Sichtweite ist gigantisch und auch spielerisch von Nutzen; so kann man beispielsweise auf einen Bergkamm klettern, dort seinen Raketenwerfer umschnallen, ein gegnerisches Schiff in einer weit entfernten Bucht anvisieren und danach in Ruhe mit dem Fernglas beobachten, wie sich die Rakete ihren Weg bis zum Ziel bahnt und dort in einer riesigen Explosion alles in Schutt und Asche legt. Auch die Physikberechnungen und die Licht-Schatten-Effekte sind vom Allerfeinsten - genau wie die vorhandenen Fahrzeuge, die zwar nicht sehr zahlreich sind, doch hervorragend in das Spielgeschehen eingebaut wurden und auf diese Art und Weise auch nie zu übermächtig werden.

Endlich kann man auch wirklich einmal von Künstlicher Intelligenz bei den Gegnern sprechen. Diese agieren äußerst gerissen, rufen bei Beschuß sofort Verstärkung und haben durchaus Sinn für taktisches Vorgehen, indem sie alles Erdenkliche als Deckung benutzen, während einige andere ausschwärmen und versuchen, dem Protagonisten in die Flanke zu fallen.

Kurz zum Speichersystem: Das Spiel speichert bei Überschreiten vordefinierter Punkte automatisch. Auf eine Quick-Save-Funktion, wie es sie in den meisten anderen PC-Shootern gibt, wurde verzichtet. Das führt zwar zu einem Anstieg des Schwierigkeitsgrads, ist jedoch nie unfair. Zudem kann man so ständig neue Strategien austesten, denn (und das ist nicht nur eine Floskel) eine Situation spielt sich jedes Mal anders, da die Gegner nicht immer gleich reagieren.

Der Multiplayer-Part ist ebenfalls top, trotz eines kleinen Mankos. Wunderschön gestaltete Maps, mit einer Prise fahrbarer Untersätze wie Strand-Buggies und Boote und abgeschmeckt mit gut durchdachten Missionszielen, lassen beim Spieler keine Wünsche offen - doch nur drei Modi (wobei der "Assault"-Modus vom Gameplay her übrigens verdächtig an das kostenlose Spiel "Enemy Territory" erinnert) sind heutzutage einfach nicht genug, um mit der Elite mithalten zu können. Da zeigt "UT 2004" mit seinen zehn (!) Modi eindeutig, wie hoch die Latte im Multiplayer mittlerweile liegt. Doch dank einer bereits jetzt auf Hochtouren arbeitenden Mod-Community ist in dieser Hinsicht baldigst mit Abhilfe zu rechnen.

Prachtoptik statt fader Texturen, intelligentes Level-Design statt stupider Ballerei und hervorragende künstliche Intelligenz statt strohdummer Monster, die einfach in den Tod laufen: "Far Cry" wird allen Erwartungen mehr als gerecht und läutet die Ankunft einer neuen Generation intelligenter Shooter ein. Wer´s immer noch nicht glaubt, sollte schleunigst die Demo downloaden und sich selbst ein Bild machen.

Christian Krenn