Games_FIFA 07

Des Königs neue Kleider

Zwischen WM, EM und unzähligen anderen Fußballbewerben, die dauernd aus dem Fernseher kommen, kann man den Bildschirm nun auch wieder mit künstlichen Kickern bevölkern.    09.01.2007

Neuer Produzent, neue Engine, neues Glück? Mit den Neuerungen in "FIFA 07" bläst Electronic Arts zum Sturmangriff auf den Genrekönig "Pro Evolution Soccer". Zwar nicht mit dem erhofften durchschlagenden Erfolg - aber das Resultat ist dennoch ein wirklich gutes Fußballspiel, das im Gegensatz zu seinen Vorgängern mit einer Reihe sinnvoller und authentisch wirkender Neuerungen deutlich Boden gutmachen kann.

Das Herzstück der aktuellen "FIFA"-Version ist die neue Physik-Engine, die erstmals in der Spieleserie den Ball und die Spieler getrennt voneinander berechnet. Den Unterschied, den diese kleine Änderung ausmacht, merkt man als Spieler gleich innerhalb der ersten fünf Sekunden. Die alte "Ball klebt am Fuß"-Krankheit, die viele bei den "FIFA"-Titeln immer wieder zu Recht kritisierten, gehört dadurch der Vergangenheit an, und es ergeben sich wesentlich realistischere Spielsituationen. Abpraller, Stopfehler, Ballverluste beim Dribbeln und dergleichen lassen das ganze Spiel wesentlich abgerundeter und satter erscheinen. Das gewohnt gute Graphikniveau konnte außerdem gehalten werden, also macht "FIFA 07" auch optisch einiges her.

 

Natürlich führt eine derart tiefgreifende Änderung in der Engine oft zur einen oder anderen Unsauberkeit. Das bleibt auch "FIFA 07" nicht erspart: Vor allem die KI hat zeitweise kleinere Probleme mit der neuen Ballphysik, was sich dadurch bemerkbar macht, daß gerade bei weiten Pässen oder Distanzschüssen die eigenen Mitspieler zeitweise im Weg herumstehen. Außerdem hat auch der Torwart ab und zu seine Probleme damit, den Ball vom Spieler zu unterscheiden; so kann es dann durchaus vorkommen, daß er nach einer kleinen Berührung die "Wuchtel" direkt vor die Füße eines Stürmers fallen läßt. Doch im Gegensatz zum Problem der blockierenden Teamkameraden, das ein- bis zweimal pro Spiel auftauchen kann, ist der Torwartfehler wesentlich seltener und somit wesentlich weniger lästig.

Im Online-Bereich hat EA die Nase ganz klar vorne. Es gibt zwar auch hier keine Ligen, aber wenigstens funktioniert der Online-Modus technisch einwandfrei, was ja bei der Konkurrenz nicht immer der Fall ist.

 

Auch der Umfang des Spiels ist mit dem von "PES" nicht zu vergleichen. Mehr Lizenzen, mehr Teams, mehr Stadien - in all diesen Punkten hat EA einen deutlichen Vorsprung auf die Konkurrenz. Bizarrerweise hat der Titel jedoch in einem Bereich, den man bislang als die "FIFA"-Domäne schlechthin bezeichnen konnte, deutlich verloren: Die Atmosphäre während des Spiels wirkt etwas steril - angefangen von leicht monotonen Fan-Gesängen, bis hin zu unmotiviert wirkenden Spielern während der Wiederholungen und des Torjubels.

Trotz der Kinderkrankheiten, die durch die Überarbeitung der Engine fast schon zu erwarten waren, bleibt unterm Strich ein - wie gesagt - wirklich gutes Fußballspiel, das deutlich mehr Spaß macht und realitätsnäher ist als die Vorgänger. Wenn EA in der nächsten Version die Fehler der neuen Engine korrigieren und sich im Bereich der Atmosphäre wieder an alte Tugenden erinnern kann, darf man auf die nächste Fußballinkarnation wahrlich gespannt sein.

Die Gegenwart jedoch heißt "FIFA 07": kein Genrekönig, aber ein tolles Spiel, das - vor allem im Online-Modus - sein Geld mehr als wert ist.

Benjamin Mann

Kommentare_

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