Games_FIFA 06
Fußball ist unser Leben
Die nunmehr zwölfte Auflage von "FIFA Soccer" tritt gegen den Genrekonkurrenten "PES 5" aus dem Hause Konami an. Und auch diesmal geht es wieder um den Genrethron.
02.03.2006
Videospieler wissen, was jeden Spätherbst auf sie zukommt. Alle Jahre wieder beglückt sie Electronic Arts mit der jährlichen Neuauflage des gesamten Sortiments an Sportspielen, kurz bevor die Konkurrenz mit ihren Produkten auf den Markt kommt (natürlich nur in den Bereichen, wo man die "Mitbewerber" noch nicht durch den Erwerb von Exklusivlizenzen vom Markt gedrängt hat).
Und so erschien auch diesmal das EA-Flagschiff "FIFA Soccer" in neuem - na ja, "Glanz" wäre etwas übertrieben, also nennen wir es halt "Gewand". Ein Blick auf die Verpackung und die ersten Minuten im Spiel machen gleich völlig klar, was EA mit der neuen Version im Schilde führt. Nachdem "FIFA Soccer" in den vergangenen Jahren der "Pro Evolution"-Reihe ähnlich unterlegen war wie die zukünftigen Schützlinge von Josef Hickersberger der internationalen Konkurrenz, soll mit "FIFA 06" nun alles anders werden.
In Sachen Aufmachung, Umfang und Präsentation hat das Spiel schon einmal die Nase vorn. Unmengen an Lizenzen sorgen zumindest bei den zur Verfügung stehenden Mannschaften für extreme Realitätsnähe. Ein atemberaubender Soundtrack in den Menüs, unterstützt von Kommentareinspielungen aus besonders weltbewegenden historischen Partien, machen gleich so richtig
Lust auf mehr.
Doch schon nach den ersten Minuten im ersten Spie stellt sich die traurige Wahrheit heraus: Manche Dinge verschwinden nicht, auch wenn man sie hinter noch so vielen Gimmicks versteckt. Die Wahrheit liegt auf dem Platz, hat ein Fußballweiser einmal gesagt - und an dieser Tatsache kommt auch EA nicht vorbei.
Den guten Willen darf man Electronic Arts allerdings nicht absprechen: Die Veränderungen zum Vorgänger sind teilweise schon sehr sehenswert. Die Spieler sehen in Großaufnahme wirklich beeindruckend aus, die Animationen während Zweikämpfen und dergleichen sind von Güteklasse A (zumindest, solange man mit der Kameraperspektive nahe genug dran ist), und der Stadion-Roar ist beeindruckend. Auch die Steuerung ist besser und flüssiger geworden, und sogar die KI präsentiert sich in manchen Bereichen nicht mehr so vertrottelt wie noch vor einem Jahr.
Leider war es das auch schon mit der Herrlichkeit. Denn die alten "FIFA"-Krankheiten, die die Serie zum Teil schon seit Jahren mit sich herumschleppt, sind noch immer da. Die Künstliche Intelligenz, vor allem im Defensivbereich, ist manchmal erschütternd unintelligent. Gegnerische Stürmer werden aus zwei Metern Abstand in Manndeckung genommen, Außenverteidiger kapieren immer noch nicht, daß sie ihren Hintern bei einem Angriff gefälligst mit nach vorne bewegen sollten (vor allem wenn die ausgegebene Taktik "Flügelspiel" lautet), und die Stürmer würden nicht einmal in die Löcher der Viererkette laufen, wenn man sie mit der Pumpgun dorthin triebe. Das war schon immer so und hat sich auch diesmal nicht geändert.
Neu sind allerdings Szenen wie die folgende: Arsenal gegen Real, 63. Minute, Spielstand 2:1 für Real. Fredrik Ljungberg erkämpft sich den Ball im rechten Mittelfeld, blickt kurz auf und schlägt eine Traumflanke auf Bergkamp, der seinem Bewacher enteilt ist. Bergkamp legt den Ball per Kopf zurück zum Elferpunkt, direkt in den Lauf des heranstürmenden Henry. Henry zieht voll durch ... und jagt den Ball gute zwei Meter über das rechte Kreuzeck. Totenstille im Stadion. Alle Spieler bereiten sich auf den Abstoß vor, nur Henry steht noch im Strafraum und hadert mit dem Schicksal. Plötzlich flippt das Publikum völlig aus. Henry beginnt zu jubeln und einer der Kommentatoren plärrt in sein Mikro: "Waaaaaaahnsinn!!!! TOR DES JAHRES!!!!!" Plötzlich lautet der Stand 2:2 - und es geht weiter mit Anstoß für Real.
Es passiert nicht oft, aber einmal so zirka alle 25 bis 30 Partien fällt ein Tor, das keines war. Wie so etwas durch die Qualitätskontrolle kommen kann, ist eigentlich unvorstellbar.
Doch all die angesprochenen Mankos bedeuten nicht, daß "FIFA 06" nicht auch seine guten Momente hätte. Doppelpässe, Direktabnahmen, wunderbare Spielzüge mit einmal berühren sind durchaus möglich und traumhaft anzusehen. "FIFA" bietet auch einen recht lustigen Managermodus, der für zusätzliche Unterhaltung sorgt.
"FIFA 06" ist ein brauchbares Fußballspiel, das durch seinen gigantischen Umfang und eine tolle Präsentation (wenn man einmal von den beiden Wahnsinnigen absieht, die EA als Kommentatoren verpflichtet hat) glänzt. Fans der Serie werden sicher ihre Freude daran haben. Doch all die netten Dinge, die EA abseits vom Rasen eingebaut hat, ändern nichts daran, daß auch "FIFA 06" am Feld keine Chance gegen "Pro Evolution Soccer 5" hat.
Benjamin Mann
Kommentare_