Games_Eye Toy Chat

Sony killed the telephone star

Melden Sie Ihr Festnetz ab und werfen Sie das Handy weg - das brauchen Sie alles nicht mehr. Über "Eye Toy Chat" können Sie gebührenfrei mit Bild kommunizieren. Toll!    11.11.2004

Na ja. Ganz so toll, wie sich das anhört, ist es natürlich auch wieder nicht. Aber alles zu seiner Zeit.

Grundsätzlich ist es auf jeden Fall eine wirklich gelungene Idee, als PS2-Besitzer mittels Eye-Toy-Kamera und Netzwerkadapter über das Central-Station-Netzwerk mit Gleichgesinnten per Videostream über Gott und die Welt plaudern zu können. Und nicht nur das ist möglich: Wenn einem das Gegenüber zu fad ist, kann man während des Gesprächs nebenbei auch einige eingebaute Mini-Games gegeneinander spielen, darunter heiße Klassiker wie Schiffe versenken, Schach oder Dame. Wer lieber unerkannt in Chat-Rooms sein Unwesen treibt, kann sich in reinen Audioräumen (bis zu 16 User gleichzeitig) austoben oder überhaupt - ganz Old-School - eine USB-Tastatur in seine allerliebste Konsole stöpseln und mit bis zu 255 anderen das Zehnfingersystem üben. Und 30sekündige Videobotschaften kann man seinen Online-Bekanntschaften auch hinterlassen.

Soweit die Theorie. Die technische Seite funktioniert überraschend einfach und wurde gut gelöst; allerdings lebt ein Chat-System natürlich von den Nutzern - oder wie man so schön sagt, der Community. Wer Freunde oder Verwandte hat, die auch über die notwendige PS2-Ausstattung verfügen, erhält auf diese Art und Weise zwar eine witzige Kommunikationsmöglichkeit, wer niemanden kennt und nicht unbedingt exhibitionistische Veranlagungen hegt, wird sich unter Umständen aber doch recht bald langweilen. Mit fremden Menschen via Internet Schiffe zu versenken, ist halt auch nicht die große Innovation. Und die Bildtelefonie ist nach dem ersten Ausprobieren nicht so super, wie sie sich anhört - deswegen hat ja auch Drei so gut wie keine Kunden.

Schade auf jeden Fall, daß man nicht wenigstens im textbasierten Chat über den Tellerrand der Central Station hinausschauen kann - eine Kooperation mit einem größeren Internet-Chat-Portal wäre sicher eine ganz gute Lösung gewesen, um die User-Bandbreite ein wenig zu streuen und nicht nur 12jährige Hardcore-Gamer als virtuelles Gegenüber zu haben.

Auch wenn das vielleicht ein wenig zu sehr in die Zukunft vorgegriffen scheinen mag: Es ist auf jeden Fall eine vertane Chance von Sony, daß man "Eye Toy Chat" nicht als vollwertiges Voice-Over-IP-Telefon nutzen kann, mit dem man auch ins reguläre Festnetz telefonieren kann. Dann wäre das System nämlich wirklich bahnbrechend revolutionär gewesen ...

So bleibt´s wahrscheinlich leider beim Special-Interest-Produkt für eine homogene Freak-Gemeinde, die ihre Nachmittage anstatt in der echten Welt lieber in Chat-Räumen verbringt (und wie die aussehen, kann man sich auf der Verpackung anschauen). Die Kommunikation steht jedenfalls klar im Vordergrund; von den Spielen darf man sich nicht zu viel erwarten, die sind bestenfalls Draufgabe. Mit einem relativen günstigen Kaufpreis von knapp 20 Euro ist andererseits aber auch nicht viel verpatzt.

Stefan Forster