Games_Driver: Parallel Lines

Fahrtüchtig

Heiße Verfolgungsjagden + ein exzellenter Soundtrack + ein wirklich alter Hippie = "Driver: Parallel Lines". Endlich dürfen sich auch PC-Spieler am gelungenen vierten Teil der Serie erfreuen.    09.08.2007

New York, 1978: Wenig Geld, kaum Ehr´, null Moral - aber ein außerordentliches Verlangen nach materiellen Dingen. Mit derart herausragenden Charaktereigenschaften ist eine Karriere als Berufsverbrecher nahezu vorprogrammiert. Doch nach anfänglichen Erfolgen nimmt das Schicksal seinen Lauf, und der lange Arm des Gesetzes schlägt mitten im schönsten Verbrechervergnügen unbarmherzig zu. Die nächsten 28 Jahre verbringt man in einem malerischen Bundesgefängnis, bevor man 2006 wieder in die Freiheit entlassen wird. Doch der Schuster bleibt bekanntlich bei seinem Leisten - und so verschwendet man nicht wirklich viel Zeit mit Resozialisierung, sondern plant lieber gleich die neue Verbrecherkarriere. Auftragsdiebstahl, Schuldeneintreibung, Straßenrennen und der eine oder andere Mord sind beliebte Hilfsmittel, um in der Unterwelt an die Spitze zu gelangen.

Nachdem man Detective Tanner, den bisherigen Helden der "Driver"-Serie, nach dem hundsmiserablen "Driv3r" endlich in den wohlverdienten Ruhestand geschickt hat, geht man in "Parallel Lines" nun neue Wege. Wobei "neu" natürlich ein sehr relativer Begriff ist: Der "Kleiner Gangster schießt sich an die Spitze einer Stadt"-Ansatz ist seit "GTA" wahrscheinlich von mehr Spielen geklaut worden als sonst irgendeine Idee in der Geschichte der Computerspiele. Aber lieber gut gestohlen als schlecht erfunden; dieses Motto kennt man auch in der Spieleindustrie sehr gut. Die "Driver"-Serie konnte ja ohnehin nur noch besser werden; tatsächlich läßt ihr aktueller Ableger - vor allem in der nun vorliegenden PC-Version - durchaus einiges an Qualität erkennen. Die Graphik ist zwar nicht herausragend, aber zumindest solide und an manchen Stellen sogar beachtlich. Die Geschichte ist spannend und witzig, doch das absolute Highlight ist der Soundtrack, der Songs von Interpreten wie The Temptations, Iggy Pop, Dave Hamilton und Grandmaster Flash beinhaltet.

 

"Driver" ist jedoch nichts für schwache Nerven oder unbeherrschte Naturen. Das Spiel ist derartig schwer, daß es ein immenses Frustpotential in sich birgt. Hauptursache dafür sind die geistesgestört engen Zeitlimits in den Missionen, die eine nahezu unfallfreie Fahrt durch die Stadt erfordern, um absolviert werden zu können. Und das ist leichter gesagt als getan: Die Straßen von New York sind nämlich ein einziger Tummelplatz für Langsamfahrer, Nichtblinker, Vorrangmißachter und ähnliches Gesocks. Da man ständig in Eile ist, kann man sich auch nur sehr selten die Befriedigung gönnen, den Blödmann, der einen gerade zu einer halsbrecherischen Ausweichaktion gezwungen hat, aus dem Auto zu zerren, um eine Automatik in sein Gesicht zu entladen.

Zu allem Überfluß sind neben lästigen Passanten auch noch die Gesetzeshüter in einem Ausmaß tätig, das vermuten läßt, die ganze Stadt befinde sich auf Terrorwarnstufe fünf. Wenigstens ist die Polizei nicht (wie in anderen Vertretern des Genres) allwissend. Der Fahrzeugwechsel in einer unbeobachteten Seitenstraße bewirkt wahre Wunder, wenn es darum geht, die Uniformierten loszuwerden.

Doch auch bei "Driver: Parallel Lines" ist nicht alles eitel Wonne. Was Waterloo für Napoleon war, sind hier jene Szenen, in denen man gezwungen ist, den fahrbaren Untersatz zu verlassen und per pedes weiterzukommen - eine einzige Katastrophe. Die erste und schwierigste Hürde ist das automatische Zielsystem, das es nahezu unmöglich macht, auf das Ziel seiner Wahl zu feuern. Bis man endlich den gewünschten Bösewicht ins Visier nehmen kann, vergehen Stunden. Da hilft es immens, daß sich die gegnerischen Schergen offenbar gesammelt einer Gehirnamputation unterzogen haben und träge in der Gegend herumstehen, bis man sich bequemt, endlich auf sie zu schießen. Die Zombies in jedem beliebigen Untotenspektakel sind klüger und schneller als diese Gegner. Damit die Schießereien zu Fuß nicht vollends zum Standbilddrama ausarten, haben sich die Entwickler wenigstens eine wunderbar miserable Kameraführung für die betreffenden Szenen ausgedacht, damit man zumindest irgendeine Beschäftigung hat.

Nachdem die "GTA"-freie Zeit ja leider noch einige Monate anhalten wird, kann man auf der Suche nach einem passenden Zeitvertreib getrost zu "Driver: Parallel Lines" greifen - vor allem, wenn die Fahrzeug-Action im Vordergrund stehen soll. Trotz der Schwächen in manchen Bereichen ist der neue Ableger ein deutlicher Schritt nach vorne, der durchaus zu unterhalten weiß.

Benjamin Mann

Driver: Parallel Lines

ØØØ 1/2

(Ubisoft)


erhältlich für: PC

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Kommentare_

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