Games_Call of Juarez: Bound in Blood

Und ewig lockt die Weite

Vor drei Jahren durften wir am Bildschirm abwechselnd in die Haut eines abgehalfterten Revolverhelden und seines mexikanischen Neffen schlüpfen. Das Spiel war so erfolgreich, daß das polnische Entwicklerstudio Techland nun einen Nachfolger ins Rennen schickt. Ob der Wilde Westen mittlerweile gezähmter ist, erfahren sie in unserer Rezension.    07.08.2009

 

 

Bei "Bound in Blood" dreht sich die Handlung diesmal nicht um Pfarrer Ray McCall und seinen mexikanischen Neffen Billy, sondern darum, was den ehemaligen Gunslinger Ray dazu trieb, seine Colts gegen das Wort Gottes zu tauschen. Und da das Prequel viele Jahre vor dem Vorgänger spielt, wurde Billy (der damals bestenfalls ein lüsternes Glitzern in den Augen seiner Eltern war) kurzerhand durch einen anderen Charakter ersetzt: seinen zukünftigen Stiefvater Thomas McCall. Wie man schon anhand des Familiennamens unschwer erraten kann, handelt es sich bei dem Typen um Rays Bruder. Im neuen Teil erfährt der Spieler, was den rauhbeinigen und emotional unterkühlten Ray dazu bewogen hat, Gott zu finden, und wie sein sensibler Bruder Thomas dem Dämon Alkohol in die Hände fiel. Die Scriptwriter von Techland lösen alle offenen Handlungsstränge auf, die sie vor drei Jahren hinterlassen haben.

 

Vor jeder Mission darf der Spieler auswählen, mit welchem der beiden Brüder er den anstehenden Level bewältigen will. Ray und Thomas spielen sich nämlich äußerst unterschiedlich. So verwendet Thomas vorzugsweise das Lasso, um kleine Abgründe zu überwinden oder sich an Vorsprüngen hochzuziehen, während sich Ray dezent mit Hilfe von Dynamit und roher körperlicher Gewalt selber Wege bastelt. Wo Thomas mit Messer und Pfeil und Bogen die Gegner leise ausschaltet, kündigt Ray sein Eintreffen mit zwei Colts an und erschießt alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Trotz dieser beiden diametral entgegen gesetzten Vorgehensweisen - "Schleicher" versus "Terminator" - macht es im Spielverlauf fast keinen Unterschied, welchen der beiden Protagonisten man wählt. Die einzelnen Abschnitte sind derart gestaltet, daß sie die jeweiligen Stärken der beiden Charaktere nur sehr selten fordern. Allerdings gibt es noch einen weiteren Unterschied, und zwar beim "Konzentrationsmodus". Dabei handelt es sich um nichts anderes als die durch "Max Payne" berühmt gewordene "Bullet Time", im Vorgänger auch "Akimbo-Modus" genannt.

Mit jedem erledigten Gegner füllt sich der Konzentrationsbalken; ist er einmal voll, so kann er innerhalb einer Minute aktiviert werden. Dann verlangsamt sich die Zeit, und bis auf die Gegner wird alles in Schwarzweiß dargestellt. Während der Bullet Time muß Ray lediglich alle Gegner mit dem Fadenkreuz markieren. Ist der Timer dann abgelaufen, schießt der zukünftige Prediger aus allen Rohren auf die markierten Ziele. Bei Thomas hingegen werden alle Gegner im Sichtfeld automatisch anvisiert. Der Spieler braucht dann nur mehr die Feuertaste gedrückt zu halten und den Analogstick nach hinten zu ziehen - fast so, als würde er den Hahn einer Pistole betätigen. Der Effekt ist jedoch bei beiden Figuren gleich. Nach getaner Arbeit sieht man nur noch Leichen vor sich, die sich aber dank USK-Konformität sofort auflösen und außerordentlich blutleer daherkommen.

In punkto Spielspaß kann "Bound in Blood" leider nicht mit dem Vorgänger mithalten. Viel zu oft läuft alles nach dem immer gleichen Schema ab: ankommen, alles niederschießen, weiterziehen. Nur gelegentlich lockern einige Szenen das gewöhnliche Geballer auf. So darf man beispielsweise in einem Abschnitt aus einer Kutsche Horden von Gegnern erledigen oder ein Geschütz bemannen, um ein Schiff zu versenken. Im großen und ganzen aber kann das Missions-Design nicht mit den einzigartigen Aufgaben des Vorgängers mithalten.

Wirklich nervtötend sind die Abschnitte, in denen man vom eigenen Bruder begleitet wird. Es ist einfach unverständlich, warum man sich in einem frei begehbaren Areal nicht zu weit von seinem Partner in Crime entfernen darf. Wer es aber trotzdem versucht, weil er etwa herumliegende Geldbeutel oder sonstige Wertgegenstände einsammeln will, wird prompt mit einem "Game Over"-Screen belohnt. Glücklicherweise wird Geld nur für den Kauf besserer Waffen und Munition benötigt. Die obligaten Standoffs mit anderen Revolverhelden sind dafür wieder so gut in Szene gesetzt, daß man als Spieler gelegentlich schweißnasse Handflächen bekommt. Schließlich geht nur der Schnellste und Treffsicherste als Sieger vom Platz, während sich der Verlierer mit einem maßgeschneiderten Holzanzug begnügen muß.

 

Graphisch sieht das Spiel über weite Strecken recht passabel aus, auch wenn es mit einigen Draw-ins - also Landschaftsdetails, die ins Bild poppen, sobald man sich ihnen nähert - zu kämpfen hat. Das Westernflair wurde jedoch alles in allem sehr gut eingefangen; sobald das Spiel die jeweilige Gegend nachgeladen hat, sieht diese zum Teil wirklich grandios aus.

Da betrübt es dann doch sehr, daß die Charaktere in den Zwischensequenzen ausgesprochen hölzern wirken. Ein weiterer Stimmungstöter sind die außerordentlich schlecht gewählten deutschen Sprecher, deren Stimmen so gar nicht zu den Protagonisten passen wollen und die ungefähr so viel Charme versprühen wie eine geöffnete Tiefkühltruhe mitten im Winter. Glücklicherweise greift der von Pawl Blaszczak (Musik zu "The Witcher") komponierte Soundtrack immer wieder rettend ein.

"Call of Juarez: Bound in Blood" ist dank des Szenarios und trotz einiger Mängel ein durchaus gelungener Shooter, der im Single-Player-Modus für etwa acht Stunden Spielspaß gut ist und dank eines soliden Multiplayer-Parts auch noch danach immer wieder zum Spielen einlädt.

Dragan Andjelkovic

Call of Juarez: Bound in Blood

ØØØØ

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(Techland/Ubisoft)

 

erhältlich für: Xbox 360, PS3, PC

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