Games_Assassin´s Creed II

Nichts ist wahr, alles ist erlaubt

Wir wissen, daß unsere irdische Heimat eine Kugel ist - zumindest ist das die gängige Meinung. Vor einigen hundert Jahren war sich die Menschheit jedoch ebenso sicher, daß die Erde flach ist. Was wir daraus lernen? "Wahrheit" ist so relativ wie alles andere. Und genau darum geht es im neuen Action-Game von Ubisoft.    23.12.2009

Desmond Miles ist der jüngste Sproß einer langen Reihe von Assassinen. Mit Hilfe des Animus, einer von der Firma Abstergo entwickelten Maschine, will das von Templern geführte Unternehmen Desmonds unterbewußte Erinnerungen anzapfen, um das letzte große Geheimnis der Menschheit zu lüften. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Rückführung in vergangene Leben.

In Teil eins der Assassinen-Trilogie durchlebte Desmond die Erinnerungen seines Urahns Altair, der zur Zeit der Kreuzzüge wirkte. Im Laufe der Geschichte von "Assassin´s Creed" erfuhr der Spieler, daß nichts so ist, wie es uns die Geschichte lehrt - und daß beide Organisationen, Templer wie Assassinen, weiterhin existieren und auch in der Gegenwart wirken.

Wie nicht anders zu erwarten, setzt "AC II" genau am Ende des ersten Teils an. Der Spieler schlüpft zu dem Zeitpunkt in die Haut Desmonds, als der sich mit Hilfe der reizenden Wissenschaftsassistentin Lucy aus dem Staub macht. Recht schnell wird klar, dass Lucy ebenfalls den Assassinen angehört, die dem Treiben der Templer ein Ende setzen wollen. Nachdem die Flucht gelungen ist, reisen die beiden in das Versteck der "Entrückten". Kaum sind sie dort angekommen, wird Desmond in den Animus 2.0 - eine Weiterentwicklung der von Abstergo erfundenen Maschine - gesteckt und auf die Reise ins Italien Leonardo da Vincis geschickt. Diesmal heißt der Vorfahre, in dessen Leben er schlüpft, Ezio Auditore Da Firenze, und die erste Begegnung mit ihm ist seine Geburt.

Die nächste Zeit verbringt der Spieler vor allem damit, die Steuerung, Florenz und ein paar wichtige Charaktere (wie beispielsweise die eigene Familie) kennenzulernen. Man erlebt erste Prügeleien und Liebschaften, bekommt einen Einblick in Ezios ungestümen Charakter und trifft den jungen Leonardo, der den Spieler nicht nur mit Erfindungen, sondern auch mit guten Ratschlägen versorgt. Kurze Zeit später kommt es zum Verrat an Ezios Familie; sein Vater und sein Bruder werden öffentlich hingerichtet. Daraufhin flieht der Protagonist mit Mutter und Schwester in die kleine Stadt Monterrigione zu seinem Onkel und schwört Rache an den Mördern seines Vaters. Im Laufe der Geschichte lernt Ezio die Borgias, die Medicis sowie den damals regierenden Papst kennen.

In gewisser Art und Weise handelt es sich bei "Assassin´s Creed II" um ein Racheepos - und doch ist die dahinterliegende Story viel komplexer, als es oberflächlich den Anschein hat. Spielern, die Interesse an tieferen Hintergründen haben, sei an dieser Stelle angeraten, sich die Suche nach den überall in der Welt versteckten Glyphen für den Schluß aufzuheben, da ein vorzeitiges Betrachten der aus insgesamt 20 Kurzfilmen bestehenden Ergänzung einem das Ende mehr als vermiesen kann. Jedes weitere Wort zur Geschichte wäre allerdings die Vorwegnahme einer mind-boggling experience.

Ubisoft gehört wohl zu den wenigen Entwicklern, die sich Kritik wirklich zu Herzen nehmen. Der Vorgänger konnte zwar mit einer traumhaften Graphik und flüssigen Animationen begeistern, wurde jedoch sehr schnell sehr langweilig, da es für den Spieler nicht viel zu tun gab und man nicht einfach die Story verfolgen konnte, sondern erst langweilige Pflichtübungen absolvieren mußte. Das führte trotz der exzellenten Handlung dazu, daß man das Game bald wieder beiseitelegte, um sich aufregenderen Dingen zuzuwenden. Bei "AC II" haben die Entwickler aus ihren Fehlern gelernt und versuchen nicht, das Spiel künstlich in die Länge zu ziehen. Es bleibt dem Spieler überlassen, ob er nach etwa 10 Stunden schon das Ende sehen will oder sich in die Materie vertieft und mehr als 20 Spielstunden aus dem Titel holt. Zu tun gibt es jedenfalls viel, wenn man nur will - Schätze sammeln, Nebenmissionen erfüllen, Siegel suchen oder die zuvor erwähnten Glyphen entziffern. Das Gute daran ist, daß es dem Spieler selbst überlassen bleibt, ob er mehr über die Story erfahren will oder nicht.

Technisch gibt es an "Assassin´s Creed II" nichts zu bemängeln. Wie schon der Vorgänger wartet der Titel mit einer unglaublich guten Graphik auf, die es nicht nur schafft, ein detailgetreues Italien des späten 15. Jahrhunderts auf den Bildschirm zu zaubern, sondern die Städte auch noch mit Leben füllt. Die Bürger gehen ihrem Tagwerk nach, feiern oder streiten sich - ähnlich wie bei "GTA IV", nur noch atmosphärischer. Was das Spiel aber wirklich einzigartig macht, ist die großartige englische Vertonung. Die mitwirkenden Schauspieler leisten hervorragende Arbeit, und die durchwegs interessanten Dialoge werden mit einem starken italienischen Akzent gesprochen, was mehr als alles andere dazu beiträgt, ins Italien der Borgias und Medicis einzutauchen.

"AC II" ist ein Titel, der herausragende Graphik, exzellente Vertonung und eine zum Nachdenken motiivierende Story zu einem einzigartigen Kunstwerk verbindet, das den Geist unserer Zeit der Lügen und Intrigen spiegelt. Wer nicht alles für bare Münze nimmt, was ihm die gleichgeschalteten Medien erzählen, sollte sich dieses Spiel zulegen und es vor allem auch durchspielen.

Dragan Andjelkovic