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Die meisten Leute haben in den
letzten paar Jahrzehnten verlernt, "bitte" und "danke" zu sagen, Damen
aus dem Mantel zu helfen und sich auch auf anderen Gebieten zu benehmen
wie ein Mensch. Benny Denes, unser
unermüdlicher Reporter, hat in Deutschland ein Institut gefunden,
das diesem Mißstand ein Ende bereiten soll.
Höfliche
Heide Worauf man unerwartet stößt, das vermag von sich aus schön zu wirken. Eine solche ganz eigene Ästhetik haben - nur zum Beispiel - eine Zellstoffabrik in Kaukasien, ein Videoverleih in der Sahara und eine Drehorgelwerkstatt in Kanton. Aber was halten Sie von einer Höflichkeitsakademie in Hankensbüttel? Diese Institution haben wir nicht etwa wegen der Anapher ausgewählt, sondern sind durch eine Einladung zum Auftakt des neuen Semesters darauf gestoßen. Nach dem Besuch beim Postkasten galt der erste Griff der deutschen Straßenkarte, Maßstab 1:500.000. Hankensbüttel liegt bei Wittingen, und das wiederum bei Uelzen, welches aber wie "Ölzen"auszusprechen ist. Uelzen selbst befindet sich etwa auf halbem Wege zwischen Hamburg und Hannover; Stichwort: Norddeutschland, Lüneburger Heide. Hankensbüttel fällt rein namentlich in dieser Lage gar nicht nicht auf - nur eine Autobahnausfahrt weiter liegt Bienenbüttel, und auch sonst wird in dieser Gegend fleißig gebüttelt. Der Ort taucht sogar in der "Encyclopedia Britannica" auf, wegen seines "Otterzentrums" nämlich. Hört sich idyllisch an, nach "Heidschnucken" genannten Schafen, bärbeißigen Bauern und listigen Honigvertretern. Was spricht also dagegen, das späte Sommerloch mit einer Reportage über Deutschlands erste Höflichkeitsakademie zu füllen? Die Leiterin der Akademie empfängt mich mit
einem sanften, aber bestimmten Händedruck. "Ich heiße Angelika
Gerdes und freue mich, daß Sie unser Gast sind. Machen Sie es sich
bequem, ich lasse Ihnen etwas zu trinken bringen!" Sehr schön, die
45jährige scheint ihr Geschäft zu verstehen. Höflichkeit
sei eine Marktlücke, vielleicht der übernächste große
Trend, meint sie. "Alle reden vom Werteverlust; wir tun etwas dagegen!"
sagt sie automatisch den Slogan ihres Hauses auf. Hinter ihr hängt
ein Plakat eines gut gekleideten Mannes, der dezent lächelt. Darunter
steht: "Auch er ist ein Mann von geradezu chinesischer Höflichkeit."
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