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ETHNOPLOSION
D 2000 Label/Vertrieb:
Wertung:
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Man kann
sich in afrikanischer Stammesmusik, Indianergetrommel und tibetanischem
Menschenknochen-Sound verlieren - oder all das und mehr in einem explosiven
Mix zusammenfassen. Benny Denes
hat die neuen Weltmusik-Wizards in Hamburg entdeckt.
Ethnoplosion
Globalisierung, multikulturell und Integration - dies sind wichtige Schlagworte in unseren Tagen, auf sozialer wie auf politischer Ebene, aber auch im kulturellen Sektor. Seit anderthalb Jahren gibt es eine Band, die diese oftmals sehr theoretischen Begriffe pragmatisch umsetzt. Der Sitz der fünf Musiker ist Hamburg, doch darf man das Etikett "deutsche Band" deshalb noch lange nicht auf den Tonträger von Ethnoplosion kleben. Überhaupt zeichnet sich deren Debütalbum "Global Players" vor allem dadurch aus, daß man es in keine der gängigen Schubladen stecken kann. Wenn das keine gute Motivation ist, die Jungs in ihrer Wahlheimat zu besuchen... Ein vornehmes Hotel ist der Schauplatz des Interviews mit Sänger Rodrigo und Yannick, dem Percussionisten. Rodrigo ist der Sohn einer Italienierin und eines Mexikaners, Yannicks Wurzeln liegen in der Karibik, in Curaçao. Die beiden schlürfen Cocktails und nehmen es mir nicht übel, daß ich ein schönes Pils bevorzuge. Sie scheinen sich sehr wohl zu fühlen an diesem Ort, wo es absolut normal ist, daß sich Menschen aller Nationen tummeln. "Wir haben aber in Hamburg insgesamt sehr wenige Probleme; wir sind keine ungeduldige Band gegen rechts, obwohl wir natürlich auch gegen rechts sind", erklärt Rodrigo sehr schnell sprechend. Er gestikuliert extrem viel, allerdings weniger wie ein typischer HipHop-Artist, sondern eher wie ein sardischer Fischer bei angestrengten Verkaufsverhandlungen auf dem allmorgentlich stattfindenden Markt. Seine Worte passen zur Promotion der Plattenfirma, bei der angenehm auffällt, daß keine politischen Schlagworte auftauchen und Ethnoplosion auch nicht als gutes Beispiel für ein kreatives Miteinander genannt werden. Yannick beschreibt die Aufgabe ihrer Musik: "Es wäre nicht angemessen, eine politische Würze bei uns herauszuschmecken. Wir sind, was das angeht, auch nicht immer einig. Wir haben mit Sam einen Israeli und mit Yfet einen Muslim in der Band. Rodrigo ist Christ, Hans ist religiös parteilos, und ich fröne dem Voodoo-Kult!" Seine Worte werden von einem erfrischenden Lachen entkräftet. Tatsächlich sind die Texte auf dem Debüt unpolitisch. Es geht um "Donna Uno", das perfekte Mädchen, das Rodrigo bei einem Gastspiel in Florenz getroffen zu haben glaubt, es geht um "Different Breaks" und die Kultur der Mittagspausengestaltung, und immer wieder geht es um das Verständnis des eigenen Ich. Hört sich nach Freud an, aber Rodrigo weist Parallelen zur Psychotherapie als Verantwortlicher für die Lyrics weit von sich: "Nee, wir haben keine Psychologen in der Band. Die Texte kommen von alleine, weil wir nach jeder Probe noch einen trinken gehen und über all das reden, an dem wir ein gemeinsames Interesse haben." "Und wir proben fast täglich!" bestärkt ihn Yannick. Texte sind wichtig, aber noch relevanter ist die Musik. Ethnoplosion spielen, so heißt es auf dem Waschzettel zu ihrem Debütalbum "Ethnoreggaefunkrockbluesx-over". "Das ist ist doppeldeutig. Es steht für Cross- und für den Faktor x", beantwortet Rodrigo mit einem frappierenden Hamburger Dialekt meine Frage nach dem drittletzten Buchstaben des Alphabets in der Genrebezeichnung. "Das ist wie bei einem Cocktail, in dem Rum, Tequila und Wodka stecken. Da wirken einerseits die einzelnen Bestandteile, aber das Gemisch bekommt auch noch eine Eigendynamik!" Damit liefert der Sänger eine wundervolle Metapher für die positive Wirkung des Sounds von Ethnoplosion, der weitab von Charts-üblichen Konventionen mächtig in den Hintern tritt und dem aufgeschlossenen Hörer unweigerlich ein breites Lachen aufs Gesicht zaubert. Neben den sehr abwechslungsreichen Rhythmen, die manchmal jazzige Ausmaße erreichen, ist vor allem die unterschiedlichen Harmonielehren entsprechende Melodieführung beeindruckend. So hat man beim Hören der Ethnoplosion-Scheibe manchmal das Gefühl, auf einem Basar in Jamaika ein kühles Pils zu schlürfen. Mein Bierchen im Hotel hatte ich erfolgreich vertilgt. Jetzt war die richtige Gelegenheit gekommen, Rodrigo und Yannick nach ihren Erwartungen zu fragen. "Hauptsache, wir können viel live spielen, denn da sind wir um zwanzig Prozent besser als im Studio!" meint Yannick, und sein Kollege sieht es ganz ähnlich: "Wenn wir 200.000 Stück verticken, dann wäre es schön - vor allem, wenn es in zwanzig Ländern jeweils 10.000 wären!" Viel Glück. Diese Jungs haben
es verdient.
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