|
zurück zum INHALTSVERZEICHNIS...
BaRock
Schweden 2000 Label/Vertrieb:
Wertung:
|
Es lebe
die Dekadenz! Im sozialsten Sozialstaat Europas orientiert sich eine Nachwuchsband
optisch am französischen Adel des 17. Jahrhunderts und musikalisch
an den schwülstigsten Auswüchsen der 70er Jahre. Es ist nur eine
Frage der Zeit, bis sie auch bei uns Trendsetter werden - meint Benny Denes.
BaRock
Bei einem Bummel durch die Innenstadt von Göteborg hat man das Gefühl, daß es hier mehr Musikalienhändler als Schuhgeschäfte gibt. Von der Geige bis zum Drumset bieten die schmucken Instrumentengeschäfte der zweitgrößten Stadt Schwedens alles, was Musiker unterschiedlicher Stile brauchen, um ihre Werke zu zelebrieren. Der Besitzer eines solchen Ladens im Stadtteil Örgryte, Magnus Sjögren, führt sein Geschäft schon in dritter Generation und verkauft selbst seit über 25 Jahren "Rock-Utensilien".
Magnus berät gerade vier junge Männer, die sich für Gitarren und Bässe interessieren. Obwohl die Kunden, die er bedient, kaum über zwanzig Jahre alt sind, zeigt er Ihnen die teuren Instrumente von Gibson, MusicMan und Paul Reed Smith. Der Musikalienhändler weiß: "Geld ist bei uns sekundär. Die staatliche Förderung macht Träume wahr. Jede junge Band kriegt Geld und Übungsräume zur Verfügung gestellt. Die Jungs hier haben ja noch mehr, sie haben den 'PopEx'-Contest gewonnen. Popmusik und Kultur ganz allgemein werden in Schweden als Exportgröße angesehen." Die vier jungen Käufer, die nach einer guten Stunde mit zwei "Paulas" und einem "Stingray"-Baß aus dem vollgestopften Laden marschieren, heißen, wenn sie zusammen Musik machen, BaRock. In der Coffee-Bar, gleich neben Magnus´ Laden, stellt Bandleader und Sänger Lasse die Band vor: "Mikael ist der mit den Locken, er spielt Sologitarre und singt die Backings. Er und ich haben die Band nach einer Klassenreise nach Paris und Versailles gegründet. Unser Rhythmusgitarrist heißt Klaas und ist mit 24 der älteste; er ist seit zwei Jahren in der Band und hat mit mir zusammen alle Songs für unser Album geschrieben. Er hat auch Locken (lacht). Daneben sitzt Pär, unser Drum-Tier, natürlich auch lockig. Er hat früher bei unseren schärfsten Konkurrenten getrommelt, Rockoko Revival." Lasse selbst hat keine Locken, ist kahlgeschoren und besitzt definitiv die längsten Wimpern des Rockgeschäfts. Wie der Bandname schon vermuten läßt, hat die Stilepoche des Pomps und der prallen Engelchen es den Schweden angetan. Optisch wie musikalisch haben sie den "Style" des 17. Jahrhunderts adaptiert. Das groß geschriebene "R" zeigt jedoch, daß das Quartett sich auch und vor allem als Rockband versteht. "So hat es ja angefangen, in der Garage, mit schmutzigem Sound und scheppernden Drums. Die Stooges, die Ramones und aktuelle Bands wie die Hellacopters haben uns inspiriert", erinnert sich Lasse an die Anfangstage. Geschichte hatten die Musiker damals noch nicht im Kopf, erst die erwähnte Klassenfahrt nach Frankreich brachte Lasse und Mikael auf den Barock-Trip. Der Sologitarrist schwärmt bis heute von Versailles: "Den Sex & Drugs-Lifestyle haben die Typen damals auch gelebt. Wenn es Jimi Hendrix und die Stones damals schon gegeben hätte, wären sie wahrscheinlich die Hofmusiker von Ludwig XIV. gewesen. Mir gefällt der Überfluß, der Kitsch, die Möglichkeit, zu zeigen, wie gut es einem geht!" Der Hang zu Dekadenz und Glamour hat sich denn auch stark in der Musik von BaRock niedergeschlagen: Ellenlange Soli und fast wiehernder Gesang charakterisieren die Songs ihres Debüts, das auf die gleiche Weise poppig wirkt wie einst T-Rex oder die Stones (die diese Kunst heute noch ganz gut beherrschen). Musikexperten und Plattenfirma hat die Göteborger Band allerdings mehr mit ihren Live-Shows beeindruckt. Mit denen erspielte sich BaRock auch eine treue Anhängerschaft, die vor allem durch Perücken mit weißen Locken auffallen, wie man sie von traditionellen britischen Gerichtsverhandlungen kennt. Die Band tritt in festlich geschmückten Clubs und Theatern auf, als Getränke werden nur Wein und Wasser serviert, und parallel zum Bühnengeschehen schafft ein Maler Gemälde aus Öl und Acryl. "Das ist nicht nur Show", stellt sich Lasse präventiv allen Boygroup-Vermutungen entgegen. "Wir wollen andere Leute für eine Epoche begeistern - das ist eine Kulturmission, die wir erfüllen." Diese Aussage scheint zwar etwas übertrieben, aber in ihrer Heimat sind die Burschen allemal erfolgreich. Die bisherigen Single-Auskopplungen (siehe Review) schafften mühelos die Top Ten, und auch im deutschsprachigen Raum ist BaRock einiges zuzutrauen. Ihr Album wird in wenigen Wochen bei uns erscheinen; live wird man die Band allerdings erst im nächsten Jahr in Augenschein nehmen können.
Nach ABBA, Roxette und Ace of Base
gibt es demnächst einen neuen Ausbruch des schwedischen Pop-Vulkans.
BaRock aus Göteborg gehen mit einem Debütalbum an den Start,
das sich zwischen den Fixsternen Placebo, Iggy Pop und Angelo Branduardi
(!) in den Musikkosmos eingeschlichen hat. Zwar sind die meisten der 16
Songs dermaßen schwülstig und klischeebehaftet, daß man
sich fragt, ob man es hier mit einer Parodie zu tun hat, doch dazwischen
schütteln die vier jungen Schweden immer wieder erstaunliche musikalische
Perlen aus dem Ärmel. Sänger Lasse Johansson brilliert mit dynamischen
Wechseln zwischen Falsettpassagen und druckvoller Rockarbeit. Mit den Singles
"Rubens´ Child" (romantische Ballade mit Streichereinsatz) und "Glorious
Fall" (straighter Midtempo-Rocker) könnte BaRock auch im restlichen
Europa bald der Durchbruch gelingen.
|