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Immer wieder wird - natürlich fälschlich und boshaft - behauptet, die katholische Kirche zeichne sich durch Körperhaß aus. Das Gegenteil ist wahr. Pater Michael Hass rät in Teil zwei seiner einschlägigen Predigtreihe sogar dazu, den Leib vor einfältigen Modetrends zu verschonen. 03.07.2009
Also, da staune ich ja selber: Kaum haben die freundlichen Kollegen vom EVOLVER gestern meine Predigt über die Verbrechen der kosmetischen Chirugie verschickt, melden die Massenmedien auch schon, daß Michael Jackson mit nur 50 Jahren verstorben ist. Und während die Feuilletonisten der Quantitätszeitungen in ihren Nachrufen obergscheiten Schwachsinn über den so überraschend verblichenen Künstler daherschwadronieren, sagt das gemeine Volk, das gemeinhin weiß, was wirklich los ist: "Der arme Kerl!"
Das hätte sich wohl keiner gedacht, daß man so über einen Mann reden wird, der einmal die meistverkaufte Platte der Welt aufgenommen hat, schwerreich war, von Erpressern und Schmieranten jahrelang mit dem beliebten neuen Inquisitionsvorwurf des "Kindesmißbrauchs" verfolgt wurde, nicht nur deswegen mit Pfuinanzproblemen zu kämpfen hatte und gerade sein Konzert-Comeback vorbereitete, als er aus bisher noch unbekannten Gründen verstarb. Wer ein Photo von ihm sieht (und meine vorangegangene Predigt verinnerlicht hat), erkennt die Todesursache jedoch sofort und wird in den "Armer Kerl"-Chor einstimmen: Michael Jackson, liebe Gläubige, war ein Alien. Er kam weder mit seiner Hautfarbe noch mit seiner Nase und schon gar nicht mit seinem Menschsein zurecht - und begab sich daher in die Hände von Scharlatanen, die ihn zu dem bemitleidenswerten Monster zurechtschnipselten, als das er in den vergangenen Jahren (meist maskiert) existieren mußte. Fassen wir also kurz zusammen: E. T. nach Hause gegangen; wir wünschen gute Reise.
Ich aber sage euch: Wehret den Anfängen! Seit einigen Jahrzehnten kursiert in den angeblich zivilisierten Ländern dieser Erde bekanntlich der dumme Spruch: "Mein Körper gehört mir." Stimmt nicht. Der menschliche Leib ist nur geliehen - sonst müßten wir ihn ja nicht nach ein paar Jahrzehnten Lebenszeit zurückgeben und als Seele unser Glück anderswo versuchen. Und nicht nur die Irregeleiteten, die ihren "Köaapa" (wie Reiki-Masseure und moderne Sexualberater ihn nennen) unnötig unters Messer legen, tun ihm Schmach an - nein, auch die sogenannte "tribal culture", die "modern primitives" und all die anderen Tätowier- und Piercing-Opfer bringen Ungedeih über sich selbst und ihre Umwelt.
Mir ist erst vor kurzem wieder einer über den Weg gelaufen, eine verlorene Seele, die ich schon mehrmals im Eingang unserer Kirche herumlungern sah, die sich aber nie hereinwagte: ein Jüngling von kaum 20 Jahren, gekrümmt von der Geißel der Sodomie und des FM4-Konsums, mit einer "ironischen" Riesen-Hornbrille ausgestattet, die selbst einen Buddy Holly aus Scham noch früher ins Grab gebracht hätte - und übersät mit selbstzugefügter Grauslichkeit. Die Ohrlöcher so ausgedehnt, daß wohl ein Weinflaschenkorken oder allerlei Unaussprechliches darin Platz fände; ein Riesenring durch die Nase wie der Ochs vorm Tore; Metalltrümmer um die Lippen, sinnlos verstreut wie häßliche Warzen aus Edelstahl. Und dazu diese plumpen Tätowierungen auf Ober- und Unterarmen, die aussehen, als hätten sie Insassen eines Heimes für geisteskranke und eventuell auch infantile Rechtsbrecher unter dem Einfluß schwerer Psychopharmaka angefertig: Sonne, Mond und Sternderln, Kreuzerln und Krixikraxi. (Junge Damen lassen sich, wie man allzuoft sieht, auch gern primitiv gezeichnete Delphine in den Ausschnitt stechen, die dann Jahr für Jahr weiter den Busen herunterschwimmen ... aber das gehört nicht hierher.) Bei solchen Begegnungen schüttelt man bedächtig das gedankenschwere Haupt und erinnert sich, daß man Bildwerke wie dieses schon im Volksschulalter nicht mehr in die Schulbank zu ritzen traute.
Nun habe ich in meiner Laufbahn als geistlicher Ethnologe in den verschiedensten Teilen der Welt die schwersten Selbstverstümmelungen gesehen - von den Maori mit ihren einst so exotisch anmutenden Gesichtsbemalungen (heute trägt die bei uns ja jeder zweite Obdachlose); über die Indianerstämme, die sich große Teller in die Unterlippe schieben, damit sie ihre Kaffeetassen darauf abstellen können; bis hin zu den finsteren Bobo-Slums von Ottakring, wo man sich als Missionar zwischen desorientierten, rituell verschandelten Einheimischen und Angehörigen von Wandervölkern wiederfindet, deren Haut von der Höhensonne schwarzbraun ist wie die vielbesungene Haselnuß. Ein scheußlicher Anblick, fürwahr, aber sowas muß man aushalten im Namen der Wissenschaft.
Irgendwann aber, wie selbst ich als geduldigster aller Prediger hoffe und innigst fordere, muß doch Schluß sein mit dem Unfug! Das ist wie mit den Jeanshosen: Seit sie jeder trägt, sind sie nur mehr Uniform und haben ebensowenig mit angeblicher Individualität zu tun wie das sogenannte "Arschgeweih" (wenn ich mir diesen abscheulichen Ausdruck für eine Sekunde ausleihen darf). Denkt doch immer daran, o Kinder Gottes, daß euch einmal ein Autobus erlegen könnte - ja, genau der Bus, vor dem euch eure leibliche Mutter immer wieder gewarnt hat. In diesem Fall, so sprach die Frau Mama, solltet ihr saubere Unterwäsche anhaben, weil ihr euch sonst vor den Rettungsärzten und Sanitätern praktisch zu Tode genieren müßtet. Ein weiser Rat, den ich hiermit erweitern möchte: Was sollen denn die Nothelfer auf der Unfall oder gar die Gerichtsmediziner von euch denken, wenn sie erst eine halbe Stunde lang das Metall aus euren mißratenen "Köaapan" schrauben müssen, bevor sie euch in den Scanner schieben können - oder zwischen euren tatauierten Kometen und lustigen Zirkustieren gar nicht wissen, wo sie das Skalpell ansetzen müssen? Die verlegen euch doch bei nächster Gelegenheit in die Psychiatrie!
Na eben, so einfach ist das. Und wenn jetzt immer noch keiner auf mich hört, beantrage ich die Einrichtung einer staatlich-kirchlichen Ästhetikkommission, die darauf achtet, daß ihr eure Körper am allerletzten Ausgang wohlbehalten zurückgebt. Sonst reden die Hinterbliebenen dereinst von euch wie heute von Michael Jackson.
PS der EVOLVER-Redaktion: Pater Michael Hass wird am 16. Juli live aus seinen Predigten vortragen und sich dabei von wunderbaren Tastenklängen seines Ordinarius und Musikmeisters Roland Guggenbichler begleiten lassen.
Ort: Pathologisch-anatomisches Bundesmuseum in Wien; Beginnzeit: 19 Uhr; Eintritt: € 6,-
Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Narrenturm-Sommerprogramms Tower of Power 2009, wo Sie auch Eintrittskarten reservieren können.
Gehen Sie hin, auf daß der Zorn Gottes nicht über Sie komme!
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Wahrscheinlich haben Sie, lieber Leser, geduldig auf diese Kolumne gewartet - und das muß man Ihnen auch hoch anrechnen. Andererseits: Was blieb Ihnen anderes übrig? Daß man durch übertriebenes Warten aber keineswegs in den Himmel kommt, sondern bestenfalls später dran, wird selbst dem Frömmsten irgendwann klar. Darum predigt Pater Michael Hass Ihnen heute, warum es manchmal schneller gehen sollte.
Wo ein Piefke ist, wachsen fünfe zu, sagt ein Sprichwort. Selbst der Pater erfährt täglich zu seinem Leidwesen (und dem der Gemeinde), daß das stimmt - und das Nachbarland nicht nur Protestanten und Protestierer zu uns schickt. Im Beichtstuhl gibt er den Bundesdeutschen gern ein paar Vaterunser mehr auf, wegen Sprachschändung. Und in seiner aktuellen Predigt hat er sich sogar zu einem offenen Brief an den Verfasser des letztjährigen deutschen Polit-Bestsellers hinreißen lassen ...
Alles dreht sich um Geld, auch das kirchliche Leben. Leider. Doch deshalb soll sich der Gläubige noch lange nicht den Gesetzen des Casinokapitalismus unterwerfen und es den Börsen-Gangstern nachtun wollen. Genau dazu scheinen ihn die Finanzinstitute aber zwingen zu wollen - mit Geldspielautomaten, die er wohl oder übel bedienen muß, um Pfuinanzielles zu erledigen. Der Pater rät ab, weil auch er weiß: Die Bank gewinnt immer!
Und es wurde Abend, und es wurde Morgen, und plötzlich war es Winter. Und wieder hatte niemand damit gerechnet, daß der Herr Schnee schicken würde. Die weiße Pracht sorgte - wenigstens bis zum Ausrücken der Räumbrigaden - für Ruhe auf den Straßen, Stürze auf den Gehsteigen und zeitweilige Kollektivamnesie. Pater Michael Hass hat dabei zugesehen und der Natur gedankt.
Er begann seinen Dienst am Christenvolke im benachbarten Blog "ZiB21", bevor er aus Gewissensgründen zum EVOLVER wechselte. Bei uns läßt er jetzt gelegentlich wortgewaltige Predigten los - und der Vollständigkeit halber wiederholen wir jetzt die ersten sechs seiner sonntäglichen Episteln auf unseren Seiten. Am Samstag. Als (einstweilen) letzte Episode lesen Sie die vom 4. April 2009.
Er begann seinen Dienst am Christenvolke im benachbarten Blog "ZiB21", bevor er aus Gewissensgründen zum EVOLVER wechselte. Bei uns läßt er jetzt gelegentlich wortgewaltige Predigten los - und der Vollständigkeit halber wiederholen wir jetzt die ersten sechs seiner sonntäglichen Episteln auf unseren Seiten. Am Samstag. Diesmal gibt’s die Episode vom 28. März 2009.
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