Platten_The Tangent - The World That We Drive Through

Eine Gerade wird schnell fade

Der Nukleus aus Mitgliedern der Flower Kings und Po90 Degrees spaltet sein zweites Atomteilchen ab. Strahlende Aussichten?    03.10.2004

Ein Line-up wie aus dem Bilderbuch: Roine Stolt, Jonas Reingold, Zoltan Csorsz, Any Tillison, Sam Baine, Guy Manning und Theo Travis. Das prototypische Cover, schillernd und im "Heile Welt"-Stil, beschwört den Geist der Prog-Rock-Blütezeit, könnte - bissig bemerkt - aber auch einem Sekten-Werbeprospekt entsprungen sein (Ron L. Hubbard, rotiere!) . Dennoch steht das Cover-Bild in friedvoller Symbiose mit der Ästhetik und dem Klangbild der fünf bis zu 18 Minuten langen Mini-Epen auf "The World That We Drive Through".

Will heißen: Sieben hervorragende Musiker frickeln auf höchstem Niveau. Da sitzt jeder Tempowechsel, und egomanische Soli beweisen Kunst, Können sowie vornehme Zurückhaltung. Andy Tillisons Stimme erinnert an Ian Anderson, David Gilmour oder Keith Emerson - nicht schlecht, aber andernorts schon besser gehört.

Das heißt leider aber auch, daß hier nicht der geringste Mut zum Risiko spürbar ist, sondern nur abgekaute Ideen und fehlende Perspektiven beziehungsweise Visionen in Musik und/oder Text. Die makel-, aber auch schmucklose Produktion läßt die Tracks nach Dosenkost schmecken. Als Hörer wird man unweigerlich an Van der Graaf Generator, ELP, Porcupine Tree, Pink Floyd und die frühe Zeit von Genesis, Jan Hammer oder Gong erinnert. Etappenweise werden diese Blaupausen ein wenig zu schamlos bemüht, was schlicht geklaut klingt und eigene Ideen vermissen läßt.

Die besten Songs der vorliegenden fünf sind das namensgebende "The World We Drive Through" und "A Gap in the Night", das mit seinen 13 Minuten Spieldauer auch der Platzhirsch auf dem Album ist. Beiden Nummern wurde genug Zeit eingeräumt, um sich langsam ausbreiten und durch Vielschichtigkeit und eingängige Melodien punkten zu können. Progressive-Freunde aus alten Tagen werden durchaus Gefallen an "The World That We Drive Through" finden, als Überbrückung bis zum nächsten Flower Kings-Album ist´s wohl ideal. Prog/Jazz-Rock lebt also hoch, darf aber nicht wachsen. Und das ist letztendlich schade, weil reg- und nicht progressiv.

 

David Meixner

The Tangent - The World That We Drive Through

ØØ


InsideOut/SPV

(GB/4. 10. 2004)

 

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