Platten_Richard/Interview

Solostern

Seit Ewigkeiten Die-Sterne-Fan sein und plötzlich mit der Band gemeinsam auf der Bühne stehen ... Martin Zellhofer sprach mit einem, der das geschafft hat.    29.01.2005

Seit dem Jahr 2000 ist Richard von der Schulenburg Keyboarder bei der aus Deutschland stammenden Band Die Sterne. Daß dieser auch ein Soloprojekt mit dem schlichten Namen Richard betreibt, ist selbst der interessierten Szene nicht allgemein bekannt. 2002 erschien das erste Soloalbum "Das ist schön", 2004 der Nachfolger "Universum".

Vergangenen November spielte Richard im Rahmen einer Tour im Wiener B72. Als Nachtrag dazu plaudert er nun über die Sterne, das Universum und Hamburg.

 

ECORDER: 2000 bist du bei den Sternen eingestiegen und hast deren Keyboarder Frank Will ersetzt. Warum gerade du? Woher kanntet ihr euch?

 

Richard: Von den Sternen kannte ich vorher nur Thomas Wenzel, der auch ab und zu meine monatlichen Konzertabende in der "Melanie Bar" gesehen hat. Als Frank Will ausgestiegen ist, hat sich wohl Thomas an mich erinnert und dann gefragt, ob ich bei den Sternen einsteigen möchte.

 

ECORDER: Im Jahr deines Eintrittes waren Die Sterne längst - sagen wir mal - Götter im Himmel der deutschsprachigen alternativen Szene. Wie fühlt man sich, wenn man plötzlich ganz oben mitmischen kann?

 

Richard: Da ich schon seit 1994 Sterne-Fan war, war das natürlich ein besonderes Erlebnis, die Stücke, die man von den Platten her kennt, auf einmal mit und in der Band zu spielen. Zudem konnte ich mir auch meine Lieblingsstücke wie "Nüchtern" oder "Mach die Tür zu es zieht" aussuchen, die wir dann tatsächlich auch live gespielt haben.

Wobei es schon etwas seltsam war, auf einmal vor 400 bis 2000 Leuten zu spielen. Vorher habe ich maximal vor hundert Leuten gespielt.

 

ECORDER: Hattest du die Möglichkeit, dich einzubringen oder mußtest du dich als neues Mitglied unterordnen?

 

Richard: Im ersten Jahr bei den Sternen ging es genau darum, das herauszufinden, wo wir als Band einen gemeinsamen Nenner finden können. Das hat bis jetzt immer geklappt. Ich kann mich einbringen, aber nur soweit es die anderen Bandmitglieder möchten oder soweit es das Sterne-Bandkonzept zuläßt. Ich hatte etwa mal vorgeschlagen, ein Sterne-Instrumentalalbum zu machen. Das kam eben nur bedingt gut an.

 

ECORDER: Und wie kam es dann zu deinem Soloprojekt? Boten Die Sterne nicht genug Freiraum, deine Ideen auf dem Keyboard umzusetzen oder entsprach es einfach deinem natürlichen Tatendrang, sich nicht auf eine Dache festzulegen?

 

Richard: Vor den Sternen habe ich immer schon Solo-Musik und Auftritte gemacht. Bei dem Soloprojekt kann ich eben auch selber singen und Texte schreiben, was mir besonders wichtig ist. Ich entwerfe gerne ein Gesamtkonzept, daß ich dann in Stücken oder eben live umsetze. Bei den Sternen ist das nicht möglich, da das Bandkonzept quasi schon geschrieben ist.

 

ECORDER: Du spielst jetzt mit Begleitband. 2002 warst Du noch ohne Band im Vorprogramm der Sterne in Wien - und da fanden es einige Leute weitaus charmanter.

 

Richard: Die Solo-Auftritte haben mich auf Dauer etwas eingeengt, da ich auf die Playbacks angewiesen war. Außerdem reise ich auch ungern alleine.

 

ECORDER: Und wer sind die Bandmitglieder? Bekannte, Freunde aus der Szene? Oder Studiomusiker?

 

Richard: Die Bandmitglieder sind Freunde von mir, mit denen ich schon seit 1997 immer wieder zusammenarbeitete. Es gab auch mal eine Band namens Soup de Nüll, wo ich mit Henry und Torben schon als Band Musik gemacht habe.

 

ECORDER: Dein erstes Soloalbum "Das ist schön" (L´age D´or, 2002) bringt eine Mischung aus Keyboard und Disco-Synthie-Pop aus der Dose. Das Album kommt flott und leicht, mal ein wenig melancholisch, mal mainstreamtauglich. Das neue Programm ist da ganz anders. Warum dieser Wandel?

 

Richard: Für mich ist es immer schon ein wichtiger Bestandteil gewesen zu experimentieren. Das habe ich für "Das ist schön" schon gemacht und bei "Universum" weitergeführt. So ein Wandel ist mehr zufällig als geplant.

 

ECORDER: Ich habe mir nach dem Konzert im B72 schwer getan, das Gehörte richtig einzuordnen und auch zu definieren. Das kannst du vermutlich am besten! Definiere uns bitte den Stil, die Richtung der aktuellen CD "Universum".

 

Richard: Wie der Name "Universum" schon sagt, geht es musikalisch und textlich eben um dieses Thema - daher hört man auch endlos viele Musikstile. Es ist im Grunde meine neue Art Definition von Musik, die sich keiner Schublade unterordnen möchte. Das Ganze kommt auch ein wenig von meiner Arbeit als DJ, da ich aus sechs Jahrzehnten Musik auflege, die mich inspiriert.

 

ECORDER: Wozu die Verkleidung auf der Bühne und die Spaceshow? Dient das bloß als Unterhaltung für die Zuschauer oder steckt da mehr dahinter?

 

Richard: Die Verkleidung dient lediglich zur Untermalung beziehungsweise zur Unterstreichung der Stücke. Ein Song wie "Universum" würde ohne Astronautenoutfit einfach schwächer dastehen. Vielleicht liegt das auch an meinem Hang zum Drama, wie das David Bowie auch praktizierte. Wobei ich mich jetzt nicht mit Herrn Bowie vergleichen möchte.

 

ECORDER: Deine musikalischen Zukunftspläne?

 

Richard: Mit den Sternen werden wir dieses Jahr neue Stücke machen, worauf ich sehr gespannt bin. Mit meiner Soloband möchte ich auch nach wie vor weiterarbeiten. Da gibt es schon ein paar Ideen, die ich aber nicht verraten möchte.

 

ECORDER: Zum Schluß noch kurz zu Hamburg: Tocotronic, Sterne, Blumfeld, Die Regierung, später Kettcar. Zufall? Was macht für Musiker den Reiz an Hamburg aus?

 

Richard: Da hier so oft schlechtes Wetter ist, muß man sich ein Hobby oder eine Arbeit für drinnen suchen. Daher kommt man hier wahrscheinlich besser dazu, Musik zu machen. Im Grunde aber weiß ich es nicht ...

 

ECORDER: Schanzenviertel, Bambule, Schill (ist der jetzt ausgewandert oder nicht?) & Co. Sind die rechtspopulistischen bzw. konservativen Kräfte eine Gefahr für die kulturelle Szene der Stadt? Oder ist die andere Seite stark genug, diesen zu trotzen?

 

Richard: Kulturelle Förderungen sind ja deutschlandweit sehr gering. Das ist in Hamburg nicht anders wie in Berlin oder Köln. Wie sieht das denn in Wien aus? Immerhin habt Ihr einen guten Radiosender mit FM4. Das fehlt hier auch. Daher machen wir viel eigene Musik, womit wir nicht nur uns selbst unterhalten können.

Martin Zellhofer

Richard - Universum


L´Age D´Or/Rough Trade

(D/2. 11. 2004)

 

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