Platten_PopRockRotation/Vol. 14

Musikalische Epen

Autumnblaze, Coheed and Cambria, Altmeister Leonard Cohen, Elend, Voltaire: fünf Bands und Künstler, die mit unterschiedlichen Mitteln ihre Geschichten erzählen.    06.11.2004

 

Milan Knezevic

Autumnblaze - Words Are Not What They Seem

ØØØ


Prophecy/SoulFood

(D/2. 11. 2004)

 

Autumnblaze - wieder einmal eine Band, deren Wurzeln im Death- oder Black-Metal liegen. Wo genau, ist aber egal, denn mit "Words Are Not What They Seem" legen die Deutschen ein solides Dark- und Trip-Rock-Album vor, das ebenso Elemente des Gothic und Metal aufgreift. Mit einschmeichelnden Pianopassagen weiß es durchaus zu gefallen, das emotionale siberne Luder! Wenn Autumnblaze anfangs "Where Is My Soul" fragen, will man das plötzlich auch selbst wissen; ebenso, was die "Message From Nowhere" nun wirklich aussagt. Und nicht nur im Midtempo liegen die Stärken der Band: Harte Gitarren-Riffs wie in "Heaven" oder "Slave" verleiten durchaus zum Headbangen. Danach packen Autumnblaze die Akustische aus und intonieren mit Inbrunst "Happy Faces".

Daß die Jungs handwerklich verdammt gut sind und dadurch mit fremden Kompositionen beinahe besser umgehen können als mit eigenen, zeigen sie beim Covern des "Twin Peaks"-Themes "Falling", dessen atmosphärische Dichtheit an das Original vom genialen Angelo Badalamenti und David Lynch spielerisch herankommt.

 

Links:

Coheed and Cambria - In Keeping Secrets of Silent Earth: 3

ØØØØ 1/2


Sony

(USA/28. 6. 2004)

 

"3"? Was um alles in der Welt macht die Ziffer drei im Titel einer CD? Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: "In Keeping Secrets of Silent Earth: 3" ist ein Science-Fiction-Epos, dessen dritter Teil nun bei Sony herauskommt. Doch im Prinzip ist das egal. Selbst wenn man die Vorgängeralben hat, versteht man die Story nicht. Also kann sie uns herzlich egal sein, da die Platte auch ohne Vorkenntnisse funktioniert (die kann man sich mit dem mittlerweile erschienenen Comic aneignen; das wird die Band vielleicht auch selbst tun).

Über eine Stunde dauert das neueste Werk und wird keine Sekunde langweilig. Da ist Metal dabei, Progressive-Rock, Pop und Emo. Viel Emo! So würden wohl Jimmy Eat World klingen, hätten sie ihr Meisterwerk "Clarity" einer Härtekur unterzogen; so wären Pink Floyd, wären sie eine Spur trashiger; At The Drive In hätten so sein können, wären sie softer gewesen. Harte Gitarren treffen auf Pop, mehrstimmiger Emo-Gesang geht in bombastische O-Oh´s über, da ein Stadionrocker, dort ausufernde Kompositionen. Und irgendwo der Hauch von Hardcore.

Das Beste an dieser wundervollen Platte: sie ist überwältigend! Für Fans von Rush, die sich Verbesserungen wünschen, für Jimmy-Eat-World-Anhänger, die von allem enttäuscht sind, was nach "Clarity" kam. Und für alle anderen.

 

Links:

Leonard Cohen - Dear Heather

ØØ


Columbia/Sony

(USA/25. 10. 2004)

 

Siebzig ist er schon, der Barde Leonard. Und nach seinem buddhistischen Exil und seinem 2001er-Werk hat er sich abermals entschlossen, seine Lebensweisheiten auf Platte zu bannen. Doch sein Bariton erklingt viel zu selten - und wenn, dann meist murmelnd und grummelnd. Zu allem Überfluß hat man den Eindruck, er wäre auf "Dear Heather" selbst nur Gastsänger, denn viel zu oft erklingen seine Chorsängerinnen und Mit-SongwriterInnen.

Auch wenn seine fesselnden Lyrics nichts von ihrer Faszination verloren haben, ist der Mann wohl zu müde geworden, die Texte selbst zu singen. Aber er ist ja immerhin siebzig. Laßt ihn also bitte in Pension gehen. Sonst lehnt er sich noch einmal gegen die ihm zu Ehren errichtete Statue - und das Monument für eine Legende kippt um ...

 

Links:

Elend - Sunwar the Dead


BEWERTUNG: -

Prophecy/SoulFood

(Ö/F/13. 9. 2004)

 

Wenn sich jemand nach beklemmenden Sound-Orgien sehnt, sollte er die schwere und erdrückende Kost von den französisch-österreichischen Elend hören. Auf "Sunwar the Dead", dem zweiten Teil ihres auf fünf CDs ausgelegten Werks, flirren musikalische Kakophonien durch die Schwärze menschlicher Abgründe, sphärische Klänge verwandeln sich in atonale Tonfolgen, avantgardistische Einschübe werden von Streichern zerschnitten - und der schräge, an den männlichen Dead-Can-Dance-Part erinnernde Gesang versucht den Hörer immer auf dem Teppich zu halten, bevor er doch von Chören in ein Black Hole voll dunkler Emotionen gezogen und dort zerrissen wird.

Kurz und gut: Der Band-Name ist Programm!

 

Links:

Voltaire - Flut EP

ØØØ


Universal

(D/8. 11. 2004)

 

Geschichten von verhangenen Himmeln, von Schuldgefühlen oder Frauen, die schön wie Vampire sind, erzählen Voltaire auf ihrer "Flut"-EP. Dazu gibt es Melodien vom Klavier, von Akustikgitarren umsäumt, und mittendrin Roland Meyers nachdenklichen Gesang. Irgendwo zwischen Pop und Garagen-Rock siedeln die fünf Bonner ihre fünf Stücke an - also richtig trendy, damit es auch für den Major-Deal reicht. Daß auch die Indie-Fans etwas davon haben, dafür sorgen schon die Songs mit ihren Tempowechseln und der gehörigen Portion Eingängigkeit.

 

Links:

Kommentare_

Platten
Such A Surge - Alpha

Im Trend gelegen

Die einstigen Crossover-Helden aus Braunschweig zeigen, daß sie auch musikalisch noch am Leben sind und retten sich damit vor der Bedeutungslosigkeit.  

Platten
Schneiderberg - Amok-Yo

Kreuzüber in den Sozialismus

Im Jahr 2000 wurden sie gefeiert. Dann lösten sie sich einfach auf. Oder machten eine Zwangspause. Und jetzt sind sie wieder da.  

Platten
Freedom Call - A Circle Of Life

Aufs Korn genommen

Powermetal mit Humor gibt es nicht? Dann sollten Sie in die vorliegende Platte reinhören. Die kann es noch dazu mit fast jedem Klassiker des Genres aufnehmen.  

Platten
Ektomorf - Instinct

Metal Gulasch

Der Mensch wird zum Tier. Denn Urgewalten rasen aus den Lautsprechern, wenn im Laufwerk die neueste Scheibe der Ungarn rotiert.  

Platten
Fettes Brot - Am Wasser gebaut

Geh bitte!

Kann das denn sein, find ich den Reim nicht? Was ist bloß los, ich bin doch famos, nicht? Denn ich mach HipHop und bin immer top. Oder?  

Platten
Stereophonics - Language, Sex, Violence, Other?

Brit-Pop versus Brit-Rock

Viele Bands erleben mit neuen Musikern ihren zweiten Frühling. Leider scheint in Wales immer noch tiefster Winter zu herrschen.