Platten_Nightwish - Once

Frau der Ringe

Wie Regisseure, die mit epischen Projekten à la Tolkien zu Weltruhm gelangen, schaffen die Finnen mit ihrem musikalischen Mammutwerk den Sprung nach ganz oben.    26.06.2004

Es ist kaum nachzuvollziehen: Wie schafft es ein Act, der gängigen Trends und stillen Konventionen konsequent die kalte Schulter zeigt, derart viel Erfolg einzuheimsen?

Nightwish ziehen ihren operettenhaften Bombast-Metal nun schon seit Jahren mit geringfügigen Änderungen durch. In ihrem Genre sind sie zwar überdurchschnittlich gut, galten aber bislang als zu eigenständig, um außerhalb ihrer Heimat Superstar-Status zu erreichen.

Mastermind Tuomas Holopainen änderte mit dem neuen Nightwish-Album "Once" zwar nichts Gravierendes an dieser Tatsache, konnte jedoch durch die Zusammenarbeit mit dem London Session Orchestra scheinbar die bisher fehlende Komponente zur Massenkompatibilität hinzufügen. Dank der orchestralen Untermalung erreicht die Platte nicht selten die Klasse eines guten Film-Soundtracks - und vielleicht gebührt einem einstigen neuseeländischen Splatter-Regisseur, der innerhalb der letzten drei Jahre eine weltweite Fantasy-Manie ausgelöst hat, ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Anteil am enormen kommerziellen Erfolg, der sich seit Veröffentlichung dieses Werks abzeichnet.

Der Hörer jedenfalls bekommt eine Stunde Spielzeit voller Härte, Pathos und ausgiebig zelebrierter Arrangements geboten. Spontaneität beherrscht nur in wenigen Momenten das Geschehen, so auch in der - nach "Nemo" - zweiten Single-Auskopplung "I Wish I Had An Angel", einem Song, der besonders wegen seines technoiden Refrains Aufsehen erregt und am meisten Eindruck hinterläßt. Doch Nightwish können auch mit anderen Mitteln begeistern: "Ghost Love Scene" ist ein zehn Minuten langer, aber nicht weniger mitreißender Track, bei dem die Klassik in vollendeter Weise zum Einsatz kommt.

Der Rest des Albums beschreitet - was sowohl die orchestrale Darbietung als auch den Einsatz tiefer, harter Gitarren betrifft - einen Mittelweg zwischen den obengenannten Nummern, und zum Ausklang wird mit der in finnischer Sprache verfaßten Ballade "Kuolema Tekee Taiteilijan" und dem Track "Higher Than Hope" das Tempo ein wenig gezügelt.

Nightwish haben mit "Once" ein zeitloses Meisterwerk geschaffen, das sich nicht an gängigen Rezepturen von Hit-Fabriken orientiert, sein hohes Niveau bis zum letzten Ton hält und der Band verdientermaßen zum langersehnten Durchbruch verhelfen wird.

Michael Widholm

Nightwish - Once

ØØØØ 1/2


Nuclear Blast/edel (Finnland/7. 6. 2004)

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