Platten_Heart - Jupiter´s Darling

Herzattacke

Sexy Stimmen und eine Doppelportion Erotik, in Szene gesetzt von den Wilson-Schwestern Anne und Nancy. Nach zwölf Jahren Schaffenspause versuchen sie es wieder.    03.07.2004

Heart haben eine lange Geschichte: 1963 gründete Bassist Steve Fossen in British Columbia mit den Brüdern Roger und Mike Fisher die Gruppe Army; anschließend benannten sie sich in White Heart um. Anfang der Siebziger hießen sie dann nur noch Heart, dafür arbeiteten aber die aus Seattle stammenden Wilson-Schwestern mit, die Folk- und Pop-Elemente in die Musik einbrachten. Schließlich kam mit dem Album "Dreamboat Annie" 1975 der endgültige Druchbruch. Von Kanada aus ging es mit Hits wie "Crazy On You" und "Magic Man" um die Welt, "Barracuda" wurde ein All-Time-Klassiker, und in den 80ern zeigte ihre Erfolgskurve mit "These Dreams" oder dem von Roxette plagiierten "What About Love" steil nach oben.

Nach dem 86er-Album "Bad Animals" und dem Überhit "Alone" kündigte sich eine längere Pause an. Die Wilson-Schwestern arbeiteten an einem eigenen Akustikprojekt namens The Lovemongers und veröffentlichten nebenbei 1993 das letzte reguläre Heart-Studioalbum "Desire Walks On". Inspiriert durch die ruhigen Lovemongers-Sounds, zeichneten Anne und Nancy 1995 in ihrer Heimatstadt einen Akustik-Gig mit Orchester auf und brachten ihn als "The Road Home" heraus. Dann wurde es still um Heart. Ann Wilsons geniale Stimme sollte in nächster Zeit nur noch auf dem Lovemongers-Werk "Whirlygig" sowie auf den Weihnachtsalben "Here Is Christmas" (1998) und "Heart Presents A Lovemonger´s Christmas (2001)" zu hören sein.

Zwölf Jahre später, in denen sich in der Musikgeschichte viel getan hat, hört man endlich wieder von den beiden: Die Grunge-Bands haben, nachdem sie im Fahrwasser von Kurt Cobain den Rock endgültig zu Grabe getragen hatten, die Studios in Seattle endlich verlassen. Jetzt dürfen die Ikonen von damals wieder rein - und beweisen ihre Herzensgröße allein dadurch, daß sie als Mitmusiker unter anderem den Bassisten Mike Inez (früher bei Alice In Chains) engagierten, so wie dessen Kollegen Jerry Cantrell. Ebenfalls mit von der Partie bei den Aufnahmen zu "Jupiter´s Darling" war Mike McCready von Pearl Jam - und selbst Chris Connell von Soundgarden und Audioslave hinterließ deutlich hörbar seine Spuren.

Trotzdem ist hier nicht Grunge das richtungsweisende Element, sondern gute, handgemachte Musik, deren Wurzeln eindeutig in den 70er Jahren liegen. "Back to basics" hieß schon im Vorfeld zu den Aufnahmen die Devise der neuen Platte, und Basics bekommen wir mit Songs wie "Oldest Story in the World", "Move On" oder dem schmutzig riffenden "Fallen Ones" geliefert.

Es mögen einige Jahre vergangen sein, aber Anne und Nancy zeigen keine Abnützungserscheinungen, sondern nur ungebrochene reine Spielfreude. Schon auf dem "The Road Home"-Live-Album transferierten sie erfolgreich Rocksongs in ein leises Musikgewand; auf "Jupiter´s Darling" klingen die versammelten 18 Nummern ebenso mehr nach "Dog and Butterfly" als nach "Alone" oder "All I Wanna Do Is Make Love to You". Die Heart des neuen Jahrtausends sind eindeutig erdiger. Der Kuschelrock der Eighties ist zwar nicht vergessen, findet aber nur noch auf erwachsene Weise den Weg in ihre Musik. Gut ein Drittel der CD dürfte in der Lovemongers-Phase entstanden sein, was man den im halbakustischen Bereich angesiedelten Liedern deutlich anhört.

Daß es Heart Jahrzehnte nach ihren musikalischen Anfängen noch gibt, ist gut. Der Spirit der alten Stücke wird zwar nicht immer ganz erreicht, aber einige der 18 Songs auf dem Album schaffen es dennoch, den Hörer zu bewegen. Auch wenn sie von so weit her kommen wie dem Jupiter ...

 

Milan Knezevic

Heart - Jupiter´s Darling

ØØØ 1/2


Eagle Rock/edel (USA/28. 6. 2004)

Links:

Kommentare_

Platten
Such A Surge - Alpha

Im Trend gelegen

Die einstigen Crossover-Helden aus Braunschweig zeigen, daß sie auch musikalisch noch am Leben sind und retten sich damit vor der Bedeutungslosigkeit.  

Platten
Schneiderberg - Amok-Yo

Kreuzüber in den Sozialismus

Im Jahr 2000 wurden sie gefeiert. Dann lösten sie sich einfach auf. Oder machten eine Zwangspause. Und jetzt sind sie wieder da.  

Platten
Freedom Call - A Circle Of Life

Aufs Korn genommen

Powermetal mit Humor gibt es nicht? Dann sollten Sie in die vorliegende Platte reinhören. Die kann es noch dazu mit fast jedem Klassiker des Genres aufnehmen.  

Platten
Ektomorf - Instinct

Metal Gulasch

Der Mensch wird zum Tier. Denn Urgewalten rasen aus den Lautsprechern, wenn im Laufwerk die neueste Scheibe der Ungarn rotiert.  

Platten
Fettes Brot - Am Wasser gebaut

Geh bitte!

Kann das denn sein, find ich den Reim nicht? Was ist bloß los, ich bin doch famos, nicht? Denn ich mach HipHop und bin immer top. Oder?  

Platten
Stereophonics - Language, Sex, Violence, Other?

Brit-Pop versus Brit-Rock

Viele Bands erleben mit neuen Musikern ihren zweiten Frühling. Leider scheint in Wales immer noch tiefster Winter zu herrschen.