Platten_Freedom Call - A Circle Of Life

Aufs Korn genommen

Powermetal mit Humor gibt es nicht? Dann sollten Sie in die vorliegende Platte reinhören. Die kann es noch dazu mit fast jedem Klassiker des Genres aufnehmen.    27.03.2005

Power-Metal. Das ist harte Musik mit eingängigen Melodien, die gleichzeitig so poppig sind, daß sie fast schon als Schlager durchgehen könnten. Doch selbst wenn die Songs in diese platten Gefilde abdriften, die E-Gitarren veredeln das Ganze wieder und der oftmalige Gebrauch der Double-Base verjagt jeden Hansi Hinterseer, auch wenn der lange Haare hat. Dann wäre da noch als eines der markantesten Genre-Kennzeichen die helle Frontmann-Stimme, von bösen Zungen auch Eunuchengesang genannt.

Leider hat sich diese Musikrichtung inzwischen tot gespielt und klingt reichlich abgedroschen. Man braucht eigentlich nur ein paar Klassiker von Manowar, Gamma Ray oder Helloween zu Hause im Regal haben und kann sich bereits als Powermetal-Experten bezeichnen.

Und doch gibt es immer wieder Überraschungen, wie Freedom Call mit "The Circle Of Life", einer Platte voller Zitate. Das mag manche vielleicht abschrecken, packt die deutschstämmige Band doch so ziemlich jedes Klischee auf den Silberling: "Carry On" etwa klingt verteufelt nach Manowar zu ihren besten Zeiten und könnte beinahe als Cover-Version durchgehen. Zu allem Überfluß bietet das Stück dann auch noch typische Zeilen wie "strangers in a strange land", bevor im Refrain die üblichen Männerstimmen einfallen, die aus voller Brust singen: "Carry on, carry on, the chanting has begun, a hymn of fate and glory ..." Und so weiter. Kennen wir schon, klingt aber gut. Umso mehr, wenn man bemerkt, daß Freedom Call die Szene gehörig aufs Korn nehmen. Nach dem epochal klingenden Midtro "The Gathering" wartet "Kings & Queens" mit der selbstironischen Zeile "Faster, Faster! Into desaster!" auf. Schlicht und einfach ein gelungener Schmäh.

Auch sonst hat die Band einiges auf dem Kasten. Vielschichtige Songs, straight im Powermetal dahinpflügend, von Anfang mit "Mother Earth" bis zum Epos "The Circle Of Life" am Ende. Dazwischen ist in Songs wie "Starchild" ein atypisches Glockenspiel im Refrain eingebaut, dazu eine breite Bläser-Unterstützung , und "High Enough" ist das Paradebeispiel für dezent eingesetzte modern-elektronische Elemente. Als ob es der Highlights nicht genug wäre, leuchtet als vorletzter Track "The Eternal Flame" aus dem metallenen Reigen hervor. Hier kommt ein Männerchor so mächtig rüber, daß man glaubt, da ständen riesige Russen hinterm Mikro. Andererseits sprüht der Track soviel Testosteron aus, daß selbst auf der schmächtigsten Hühnerbrust dichtes Haar sprießen muß.

Fazit: Mit "The Circle Of Life" haben Freedom Call einen Meilenstein des Powermetals vorgelegt. Sicher, er kommt mindestens zehn Jahre zu spät, aber die vielen Momente des Augenzwinkerns machen die Platte trotzdem zu einem absolutem Must-Have des Genres.

 

Milan Knezevic

Freedom Call - A Circle Of Life

ØØØØ


Steamhammer/SPV

(USA/21. 3. 2005)

 

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