Platten_Cradle Of Filth - Nymphetamine

Englisches Feuer

Daß man mit spärlichen Mitteln und ohne Orchester sehr wohl Abwechslungsreichtum in die Musik zaubern kann, zeugt von Kreativität - auch beim Black Metal.    24.10.2004

Als Dimmu Borgir mehr und mehr Leute auf sich aufmerksam machten, begannen sich die Labels um besonders harte Metal-Bands zu prügeln. Allerdings kann man das, was diese Vorzeige-Band erreicht hat, wohl eher als Glücksfall einstufen - und so beschränkte sich das Majorlabel-Gastspiel von Cradle Of Filth auf eine einzige Platte.

Nun sind Dani Filth und Co. auf Roadrunner gelandet und warten, wie das im Genre üblich ist, als Einstimmung auf die neue Platte "Nymphetamine" mit düsterem Chorgesang und Streichern auf. Im folgenden verzichten die Briten jedoch hörbar auf orchestrales Beiwerk und konzentrieren sich auf die Ausdrucksstärke ihrer Gitarren. So geht es nach dem Intro "Satyriasis" ordentlich zur Sache, und "Gilded Cunt" zeigt, wie heftiger Black Metal zu klingen hat. Dazu gibt´s Geschwindigkeitswechsel, in die Melodien gesteckt werden, und Danis umstrittenen, bellenden ... nennen wir es Gesang. Die Schreie des Frontmans machen deutlich, daß er der einzige Eunuchen-Blackmetaller der Welt ist. Bravo!

 

Ein ums andere Mal überrascht danach der Krach aus der Hölle. Cradle Of Filth entwickeln bis zu neun Minuten lange Stücke, die so komplex sind, daß man sie fast unter "Progressive Metal" einordnen möchte. Am Ende von "Nemesis" erklingen herzschlagsteigernde Kampf-Riffs versus Schlagzeug, dann bereiten plötzlich wie Harfen geschlagene Gitarrensaiten den Beginn von "Gabrielle" vor, ehe die trocken geschlagenen Drums ihre Geschwindigkeit erhöhen und eingängige Akkorde das Ruder sofort wieder herumreißen. Abwechslung pur oder Wahnsinn mit Methode? Egal - in den enggesteckten Grenzen ihrer Musik loten Cradle Of Filth alles mögliche aus und schaffen einen - ja, sagen wir es ruhig - einen Black Progressive.

Damit auch in anderen Lagern, wie etwa bei den Goths, gewildert werden kann, holte sich die Band für den Titel-Track Liv Kristine (Leave´s Eyes, Ex-Theatre-Of-Tragedy) ins Studio. Da gab es keine rituellen Opferungen, sondern ordentliche Arbeit am Song, wie das neunminütige Ergebnis beweist. Noch gotischer geben sich die Briten bei "Absynthe With Faust" oder "Nymphetamine Fix".

Natürlich können nicht alle Tracks das hohe Niveau halten, doch bei 75 Minuten Spielzeit sind Durchhänger zu verzeihen. Und das beste: Trotz aller Härte ist Cradle Of Filth ein schönes Album gelungen.

Milan Knezevic

Cradle Of Filth - Nymphetamine

ØØØØ


Roadrunner/emv

(GB/27. 9. 2004)

 

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