Platten_Club-Lounge: Organische Chemie

Organische Chemie

Wenn die Maschinen auf die hinteren Plätze verwiesen werden: Dublex Inc., De Vibroluxe und Bellcrash bestimmen mit analogen Instrumenten Sound und Marschrichtung der Musik.    09.01.2005

Willkommen zur Eröffnungsvorlesung zu "Organische Chemie". Das bedeutet in diesem musikalischen Fall drei CDs, deren Sounds von digitalem Computer-Schnick-Schnack entledigt wurden. Produktionstechnisch und vom Instrumentarium her sind zwar Maschinen sehr wohl im Einsatz, doch bestimmen bei Dublex Inc., De Vibroluxe und Bellcrash die Menschen mit ihren analogen Instrumenten den Ton. Und siehe da - wenn die Maschinen im Zwinger sitzen, herrschen anderswo weniger Zwänge.

Bitte halten Sie ihre Unterlagen bereit. Die Vorlesung beginnt nun.

David Meixner

Bellcrash - Suzume Park

ØØØ 1/2


Sunshine/Sony

(IRL/17. 1. 2005)

 

Mark Bell und Paul McMahon sind Bellcrash. In Belfast, ihrer Heimatstadt, sind die beiden wichtige Aushängeschilder für die moderne Jazz-Funk-Soul-Szene einer aufstrebenden Stadt, die leider oft nur auf die nie enden wollenden Krawalle zwischen der I.R.A. und den U.F.F. reduziert wird. Uff!

Schnell fand sich Bellcrashs Musik auf den Playlists verschiedener Szene-Epigonen wie Gilles Peterson, Only Child, LTJ Bukem und auch "our own" Richard Dorfmeister. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass Bell und McMahon nun auf dem Wiener Sunshine-Label ihr musikalisches Zuhause gefunden haben.

Das Album ist wie eine angenehme Erfrischung: luftig, nie überladen oder zu sehr auf Elektronik bedacht. Die zwölf Tracks auf "Suzume Park" beweisen, daß Bellcrash in den angepeilten Disziplinen Lounge- und Acid-Jazz, House und Funk gute Figur machen. "White Jazz", "Flute And Mouth", "Open Minded" sind die Highlights eines Abums, das mittels positiver und kraftvoller Musik schon den kommenden Frühling beschwört.

 

Links:

De Vibroluxe - Cracq Magic International

ØØØ 1/2


Couch Records/Soul Seduction

(Ö/17. 1. 2005)

 

Oh nein! Es ist eine Stampede! Gleich einem aufgescheuchtem Rudel Zooinsassen donnern elf Tracks voll rasender und dreckiger Beats, ausgefranster Samples, Live-Instrumenten und Stimmen aus den Lautsprechern. Zoodirektor Nenad Stankov alias De Vibroluxe hat ganze Arbeit geleistet. Alle seine Tracks oszillieren - wie auch schon die Vorgängeralben "Chicken Chop Suey" und "Beefy Ballet" - zwischen Funk, jazzigem Lounge-Sound, paranoidem Disco und fiebrigen Soundcollagen. Dem Disco-Funk-Charme von "Electric Shampoo", einem definitiven Highlight des Albums, kann wohl niemand entfliehen, der sein Herz und seine Füße noch an den dafür vorgesehen Plätzen trägt. Das losbretternde "Roots Beat" zeigt auf eindrucksvolle Weise, was passieren kann, wenn - aufgepasst - die Chemie stimmt: Schnipsel von Masai-Gesängen inmitten flächiger E-Pianos und diesem druckvollen-tragendem, aber luftigen Beat. Auf ähnliche Weise funktioniert "Cracq Magic Int.", der Schlußtrack des Albums.

Streckenweise erinnert De Vibroluxe an Coldcut, Scott Herren oder einem Künstler aus der Pork-Riege (auf Speed allerdings). Trotzdem ist die direkte und beinahe unverschämte Art, wie der Wiener die Samples dem Hörer direkt vor die Nase schmeißt, unnachahmlich. Ein geniales, aber nicht minder forderndes Album.

 

Links:

Dublex Inc. - Eight Ears

ØØØ


Pulver Rec./Soul Seduction

(D/7. 6. 2004)

 

Tja, was soll man denn noch über "Eight Ears" schreiben? Im Juni letzten Jahres veröffentlicht war es das langerwartete Debütalbum der acht Stuttgarter Ohren. Warum hatte es so lange gedauert?

Also erinnern wir uns: Nach "Tango Forte" mauschelte plötzlich die ganze Welt von Robin Hofmann, Florian Pflüger, Rino Spadavecchia und Felix Stecher also known as Dublex Inc. Auch die Sugababes waren begeistert, zahlten brav und ernährten ihre spätere Hitsingle "Round and Round" mit dem "Tango Forte"-Beat, der so klingt, als hätten die acht Ohren von Dublex Inc. Meister Eder beim Hobeln über die Schulter gelauscht.

"Eight Ears" ist ein Album, das nicht zuletzt aufgrund der renommierten Gastsänger wie Alice Russell, Wayne Martin oder Barbara Padron Hernandez sehr mondän und weltstädtisch klingt. Nicht so splissig oder elektronisch wie der Nu-Soul/Dance-Ansatz der New Sector Movements von Izi Dunn oder Agent K, aber dennoch mit Struktur und durchaus Pop-Song-Orientierung.

Klar: Musikalische Weltveränderung ist keine Maxime der Stuttgarter. Braucht es auch nicht zu sein, so lange Dublex Inc. uns nämlich eine derart astreine Produktion auftischen, wird der Wunsch nach mehr Innovation und Eigenständigkeit (oder gar aufkeimende Fadesse) auf sich warten lassen.

 

Links:

Kommentare_

Platten
Monkeeman - Burn To Shine

Monkey Business

"I am not pretty and I dance like a monkey", tiefstapelt Ralf Lübke auf "Am I Not A Bit Like You". Kopf hoch! Wir mögen dich trotzdem, Apeman!  

Platten
Headbanger´s Corner: InsideOut-Special

Logical Prog-ression

Alle aus einem Stall: Arena, Umphrey´s McGee, Spock´s Beard und RPWL zeigen, in welchen Variationen Progressive-Rock heute lebt - oder es zumindest versucht.  

Platten
[re:jazz] - Point Of View

Re:spekt

Schon etwas länger erhältlich ist dieses Album voll wundersamer Transformationen. Da werden 13 Songs von den Tanzflächen der Clubs gelockt, ins Vogt´sche Jazz-Labor entführt und ...  

Platten
Jazzanova & DJ Resoul - Secret Love

Folkstheater

Die Beat- und Mix-Könige kasteien sich auf
"Secret Love" gewaltig und zelebrieren gemeinsam mit DJ Resoul ihre geheime Liebe für Folk.  

Platten
Chamberlin Complex - Life Begins Again

Wiedergeburt

Schon bei den Smashing Pumpkins lockte den Drummer der Gedanke an eine Solokarriere. Nun ist er losgestapft, alte Gefilde hinter sich lassend. Dem Mutigen gehört eben die Zukunft.  

Platten
Prophets vs. Profits: Crunk oder was?

Crunk oder was?

Der Southside-Stil boomt in den Staaten. Das zeigen Chingy, Jacki-O, die Ying Yang Brothers und Lil Jon. Mit viel Watt in den Auto-Boxen funktioniert das auch in Floridsdorf oder Karlstetten.