Platten_Arrested Development - Among the Trees

Out of Africa

Nach ihrer Auflösung im Jahre 1996 glaubte kaum jemand an eine Reformation. Doch zehn Jahre nach "Zingalamaduni" scheinen alte Wunden verheilt.    01.08.2004

Mit dem neuen Album "Among the Trees" melden sich die einstigen Sprechgesangspioniere Arrested Development zurück.

Gleich nach dem Intro schließt "A Lot" scheinbar nahtlos dort an, wo einst "Zingalamaduni" aufhörte. Schon wähnt man sich in vertrauten Gefilden, doch halt - was ist das? Auf Track Nr. 3, "Esmeralda", macht der Hörer zum ersten Mal unfreiwillige Bekanntschaft mit dem AD-Kurswechsel … der neuen Ausrichtung einer Truppe, die früher stets konsequent, also unbeeindruckt und unabhängig von aktuellen Modeströmungen, "ihre" Musik machte. Nicht so bei "Esmeralda", das eher nach leicht-seichtem Sommerhit in der Art von Black Eyed Peas oder Wyclef Jean klingt, doch keineswegs nach Bob Marley, Miriam Makeba, Curtis Mayfield, Isaac Hayes, Tracy Chapman, Stevie Wonder oder Gil Scott-Heron, den proklamierten Vorbildern der Band aus Atlanta.

Drei Minuten und mindestens dreißig Stirnrunzeln später drängt sich auch beim nächsten Track "Luxury" wieder die neue Sound-Ästhetik durch, auch wenn dieser Song zumindest textlich eher dem ursprünglichen Spirit des 19köpfigen Kollektivs entspricht.

Frontman Speech, offensichtlicher Weichensteller für den neuen Arrested-Development-Sound, pokert hoch. Den "neuen" Songs fehlen sowohl der notwendige Tiefgang und Wiedererkennungsfaktor als auch die produktionstechnischen Finessen, die heutzutage praktisch jedes Lied der radiotauglichen R´n´B-Liga braucht (die Neptunes lassen grüßen). Alteingesessenen AD-Fans werden der Urban-Schickimicki-Style, die sterilen Drums und der starre Aufbau der Songs wohl ziemlich sauer aufstoßen.

Aber Speech hat offenbar auch heimlich Outkast gehört. Anders wäre "Honeymoon Day" mit seinem Beat, der Instrumentierung (vgl. "The Way You Move") und dem Rap-Style Marke Big Boi (Respekt!) wohl kaum zu erklären. Musikalisch nett, aber kein Andre 3000.

Dann kommt "Wag Your Tail" - und bei dieser simplen Ballade könnte man gar Wyclef am Steuer vermuten. Besser, weil afrikanischer, ist das Fela-Kuti-angehauchte "Calling A Ghetto". Es gibt auch kurze Momente der Erlösung auf "Among the Trees", allerdings erst mit Track 10, "In the Sun", der erstmals wieder diesen typischen Arrested-Development-Sound offenbart, diese Fusion aus Afrika-, HipHop- und Flower-Power-Kommunen-Stimmung.

"Baba Oje" ehrt das mit 72 Jahren älteste (und gleichnamige) Mitglied der Gruppe: kein besonders aufregender, aber sicher auch kein mißlungener Track. "Night Time Demons", das wiederum sehr nach Wyclef klingt, thematisiert Alkoholismus. Brav.

"Tings" klingt unüberhörbar nach "Mr. Wendal". Das ist nicht besonders originell, allerdings ist dem erschöpften Hörer ja (fast) alles recht, was sich wenigstens nach AD anhört. Darum bleib bei deinem Leisten, Schuster! Dort, wo sich die 19 neuen Tracks von Arrested Development auf ihre Wurzeln besinnen, klingen sie authentisch. Doch leider sind das nur vier Neunzehntel dieses Albums.

 

David Meixner

Arrested Development - Among the Trees

ØØ


edel

(USA/2. 8. 2004)

 

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