Video_The Silent House

Stiller Schrecken

Ungeklärte Todesfälle aus einem uruguayischen Dorf der 40er Jahre werden in diesem Geisterhaus-Streifen rekonstruiert. Ein wenig Straffung wäre Gustavo Hernández' Erstling gut bekommen.    07.07.2011

Das abseits der Zivilisation in einem Waldstück gelegene Anwesen von Néstor (Abel Tripaldi) soll durch den befreundeten Wilson (Gustavo Alonso) und dessen Tochter Laura (Florencia Colucci) wieder hergerichtet werden, bevor es zum Verkauf angeboten wird.

 

Wilson und Laura sehen sich einer echten Herausforderung gegenüber, hat die heruntergekommene Immobilie doch zweifellos schon bessere Tage gesehen.

 Nur das Obergeschoß sollte tunlichst gemieden werden, warnt Freund Néstor noch, bevor er Vater und Tochter in der wenig einladenden Behausung zurückläßt. Den Rat des Hausbesitzers ignorierend, begibt sich Wilson des nachts eben genau dorthin, um nach dem Rechten zu sehen, nachdem ihn zuvor seine Tochter - durch verdächtige Geräusche alarmiert - dazu gedrängt hat. Es ist der letzte Fehler seines Lebens - und der Beginn von Lauras Alptraum. Lediglich mit Handlampe und Sofortbildkamera ausgerüstet, erschließen sich ihr fortan die dunklen Mysterien des halb verfallenen Landsitzes.

 

Während die Protagonistin von unheimlichen Geräuschen und schemenhaften Bildern des Grauens bedroht wird, blickt ihr Autor und Regisseur Gustavo Hernández mit seiner Handkamera dicht über die Schulter - und zwar mehr oder weniger ununterbrochen, ist "The Silent House" doch eine One Take-Angelegenheit, also ein Film ohne (erkennbaren) Schnitt.

An einer solchen inszenatorischen Spielerei haben sich schon Filmschaffende vor Hernández versucht, unter anderem der große Alfred Hitchcock, dessen Kriminalstück "Cocktail für eine Leiche" (1948) allerdings wegen der technischen Limitierungen seiner Zeit in regelmäßigen Abständen von kaschierten Schnitten geteilt wurde.

Ein nicht wirklich revolutionäres Stilmittel für die Realisierung einer banal gestrickten Gespenstergeschichte einzusetzen stellt ein Risiko dar, ist doch die Faszinationskraft des Inszenierungsstils begrenzt. Worauf sich der Regisseur hier immerhin verlassen darf, ist das uralte Zusammenspiel zwischen Handkamera - samt gegebener visueller Einschränkungen -, einfacher, aber effektvoller Soundkulisse und die sich daraus ergebende Paranoia-Atmosphäre.

 

Daß die Mischung altbewährter Zutaten aber nicht zwingend funktioniert, beweist leider auch der vorliegende Film; es spielt sich schlicht zu wenig ab. Der aufgebaute Spannungsbogen flacht allmählich ab, und Lauras Erforschung des unheilvollen Hauses verliert bald an Reiz. Zwar provozieren die intime Verfolgerperspektive und ein paar geschickt montierte Spiegeleffekte den einen oder anderen schaurigen Moment, doch läßt Lauras nächtliches Abenteuer in seiner Gesamtheit an Intensität und Thrill zu wünschen übrig.

Ein Mysterium will eben schmackhaft verkauft werden. Allein das Wissen um seine Existenz reicht nicht aus, um einen simplen Plot über die gesamte Spielzeit zu tragen.

 

Der Schluß-Twist von "The Silent House" ist nicht schlecht, soviel kann an dieser Stelle verraten werden. Wer aber Laura auf ihren verwackelten Zeitlupentrip begleiten möchte, dem sei gesagt: Der Filmtitel ist durchaus wortwörtlich zu verstehen - dieses Heim ist wahrlich kein Ort des fesselnden Spektakels, und es wird kaum jemandem schlaflose Nächte bereiten.

Dietmar Wohlfart

The Silent House

ØØ 1/2

La Casa Muda

Leserbewertung: (bewerten)

Produktion: Uruguay 2010

Videovertrieb: Kinowelt (2011)

 

DVD Region 2
79 Min. + Zusatzmaterial, dt. Fassung oder span. OF

Features: Trailer

 

Regie: Gustavo Hernández

Darsteller: Florencia Colluci, Gustavo Alonso, Abel Tripaldi

Links:

Kommentare_

Video
The Secret Man

Überzeugungstäter

Vom mächtigen FBI-Mann zum sagenumwobenen Whistleblower: Liam Neeson begibt sich als historisch bedeutsames Informationsleck "Deep Throat" in einen unlösbaren Konflikt. Regisseur Peter Landesman porträtiert einen kühlen Loyalisten, der bewußt zwischen die Fronten gerät.  

Video
Borg/McEnroe - Duell zweier Gladiatoren

Schlag auf Schlag

"Borg/McEnroe" durchleuchtet einen der introvertiertesten Stars der modernen Sportgeschichte. Um einen Björn Borg zu entschlüsseln, muß das Feld eines chronisch unterrepräsentierten Sport-Subgenres bespielt werden - eine Herkulesaufgabe mit Sverrir Gudnason und Shia LaBeouf in den Hauptrollen.  

Stories
50 Jahre Columbo

Der Unverwüstliche

Vor 50 Jahren schrieb ein derangierter kleiner Mann mit Glasauge und Trenchcoat TV-Geschichte: Ab 1968 zermürbte der von Peter Falk verkörperte listige Frank Columbo 35 Jahre lang ganze Mörderscharen mit provokanter Hartnäckigkeit. Dietmar Wohlfart erinnert an die beliebte Krimiserie.  

Video
Aftermath

Schicksalsgefährten ohne Zukunft

Ein Flugzeugunglück gebiert zwei tragische Figuren und verbindet sie auf unheilvolle Weise. In Elliot Lesters "Aftermath" - einer schlicht formulierten, überraschungsarmen Meditation über Trauer und Wut - übt sich Arnold Schwarzenegger in vehementer Zurückhaltung.  

Video
I Am A Hero

Held des Tages

Ein gescheiterter Comic-Zeichner behauptet sich unbeholfen, aber tapfer in den Wirren einer Zombie-Epidemie. Shinsuke Satos Adaption des gleichnamigen Manga-Erfolgs "I Am A Hero" bietet Kurzweil und satte Splatter-Action auf japanischem Boden.  

Video
The Eyes Of My Mother

Augenauswischerei

Nicolas Pesces karges Horror-Kleinod "The Eyes Of My Mother" widmet sich voll und ganz den verstörenden Anwandlungen seiner traumatisierten Hauptfigur, hat dabei aber außer stilvoller Schwarzweißoptik wenig zu bieten.