Video_The Messenger

Botschafter der Tränen

Ein junger Kriegsheld und sein hartgesottener Vorgesetzter überbringen die Todesnachrichten gefallener Kameraden. Oren Movermans Film setzt dem amerikanischen "Casualty Notification"-Service ein stilles Denkmal.    20.10.2010

Wo Captain Tony Stone (Woody Harrelson) und Sergeant Will Montgomery (Ben Foster) auftauchen, fließen Tränen. Hochoffiziell, strikt nach Protokoll und mechanisch im Wortlaut verlesen sie als offizielle Todesboten der US-Regierung die obligatorischen Beileidsbekundungen ihres "Secretary of the Army" und entfesseln damit Trauer, Entsetzen und Wut: Eltern werden über die Tode ihrer Söhne, Ehefrauen über die ihrer Männer informiert.

Der erfahrene Stone und sein Auszubildender in "Notification"-Fragen haben diesen bitteren Schauspielen distanziert, schweigend und möglichst würdevoll beizuwohnen. Will Montgomery, gerade hochdekoriert aus dem Irak heimgekehrt, hat nicht nur seine liebe Not mit dem formellen Prozedere im allgemeinen, sondern schleppt auch einen persönlichen Rucksack mit unverdauten Fronterlebnissen mit sich. Die Situation des renitenten Kriegsrückkehrers wird zusätzlich verkompliziert, als er sich in die Witwe Olivia Pitterson (Samantha Morton) verliebt.

Fernab der faktischen Kriegsschauplätze haben sich Stone und Montgomery einem Kampf auf heimatlichen Boden zu stellen. Als Botschafter des Kummers und der Trauer ziehen sie in eine nicht zu gewinnende Defensivschlacht. Dort wird das ungleiche Gespann zur Zielscheibe des Zorns der Hinterbliebenen - denn wo das hiobsche Duo auftritt, tun sich schlagartig Abgründe für die Empfänger ihrer schmerzvollen Benachrichtigungen auf.

Die amtlichen Hoffnungszerstörer werden zudem von persönlichen Dämonen gequält: Will ist ein von Zweifeln zerrissener Kriegsheld, der sich völlig abschottet und gerne hinter einem akustischen Schutzschirm aus schmetterndem Schwermetall verbirgt. Tony gibt sich indes souverän und hedonistisch. Doch verbirgt sich hinter dem stahlharten Schutzpanzer aus Weiber- und Kriegsgeschichten in Wirklichkeit nicht auch eine verletzte Seele?

Oren Moverman, der auch am Drehbuch beteiligte Regisseur, baut seinen "Messenger" langsam und konservativ auf - Tonys standpaukenhafter Einführung in die Welt der Notification folgen eindrückliche Fallbeispiele. In dieser Phase gewinnt der Film an Kraft, durchleuchtet Moverman doch einen eher wenig bekannten Kriegsschauplatz rein sozial-ethischer Natur - weit weg von jeglicher militärischer Konfliktbewältigung - unsentimental und mit ruhiger Hand. Unabwendbar werden die beiden Hauptprotagonisten zur Selbstreflexion gezwungen. Verschüttete Gewissenskonflikte werden zutage gefördert, moralische Spannungsfelder entstehen. So manövriert sich der orientierungslose Selbstzweifler Montgomery mit seiner Zuneigung zu der trauernden Olivia zwangsläufig in ein pikantes Dilemma.

Ben Fosters zerknirschte Gleichgültigkeit kontrastiert wunderbar mit dem provokanten Getöse Woody Harrelsons, dessen streitbarer Captain Stone klar als Sympathieträger installiert wird. Fosters grimmiges Underacting erfüllt jedenfalls seinen Zweck; zur Hochform läuft aber Harrelson auf, der seinen (zeitweiligen) Ex-Alkoholiker Stone zwischen patriotischer Dienstfertigkeit und überladenem Machotum ansiedelt. Samantha Morton wiederum - nach wie vor eine der fähigsten Charakterdarstellerinnen ihrer Altersklasse - zeigt sich von ihrer gewohnt gefühlsbetonten Seite.

"The Messenger" verknüpft tragikomische Einzelgängerportraits individueller Kriegsverlierer mit den unausweichlich aufbrechenden moralischen Knackpunkten an der Peripherie zwischen Pietät und Heuchelei. Zwar gelingt dem Film dabei nicht immer das bruchlose Umschalten zwischen der Abbildung des bitteren Arbeitsalltags der Boten und der angestrebten Analyse ihrer inneren Konfliktherde; doch er bietet einen sehenswerten Einblick in sonst gern ignorierte Nebenschauplätze militärischer Auseinandersetzungen.

Dietmar Wohlfart