Video_Die Lincoln Verschwörung
Sic semper tyrannis!
In Robert Redfords Film wird der vermeintlichen Booth-Komplizin Mary Surratt der Prozeß gemacht. Weniger die Schuldfrage, sondern fundamentale moralische Erwägungen stehen im Vordergrund dieser behutsamen Durchleuchtung eines dunklen Seitenstrangs der Geschichte um Präsident Lincolns Ermordung.
27.02.2012
14. April, 1865: Abraham Lincoln wird von dem Schauspieler John Wilkes Booth während einer Theatervorführung erschossen. Booth wird Tage später in einer Scheune gestellt und getötet. Lebend gefaßt und angeklagt werden hingegen eine Handvoll potentieller Mitverschwörer, unter ihnen die Pensionsbetreiberin Mary Surratt (Robin Wright), die dem Präsidentenmörder und dessen mutmaßlichen Komplizen zuvor Unterschlupf gewährt hatte.
Rechtlichen Beistand erhält Surratt durch den jungen Anwalt Frederick Aiken (James McAvoy). Zuvor an der Front noch gegen die Rebellen im Einsatz, übernimmt er die Verteidigung zunächst nur widerwillig. Als sich jedoch die ohnehin fast hoffnungslose Ausgangslage seiner Mandantin durch das Wirken höchster Regierungskreise noch weiter verschlechtert, schlägt der moralische Kompaß Aikens aus und weckt den Kampfgeist des unerfahrenen Advokaten. Er setzt alles daran, der wahrscheinlich schuldigen Surratt wenigstens einen fairen Prozeß zu verschaffen.
Es ist eine indirekte Schlacht gegen die Staatsmacht selbst, die der junge Rechtsanwalt auszufechten hat. Verwundet und aufgeschreckt durch den Verlust seiner Galionsfigur Lincoln, ist der Regierungsapparat selbstredend an einer schnellen Aburteilung der Angeklagten interessiert.
Zusätzliche Brisanz verleiht diesem Kampf gegen Windmühlen der Umstand, daß Aiken freilich keinen Grund hat, von der Unschuld Surratts überzeugt zu sein, sondern eher trotz aller Zweifel dem Recht an sich zum Sieg verhelfen will. Denn die Zivilistin hat sich vor einem Militärtribunal zu verantworten. Zudem übt Kriegsminister Edwin Stanton (Kevin Kline) hinter den Kulissen Druck aus.
Regisseur Robert Redford widmet sich einem eher unbekannten Aspekt des Lincoln-Attentats. Im Kern ist die "Lincoln Verschwörung" eine David-gegen-Goliath-Story, eingebettet in die unspektakuläre Struktur eines konventionelles Gerichtsdramas.
McAvoys Anwaltsfigur füllt denn auch kaum mehr als die klischeehafte Position des von allen Seiten bedrängten Rechtsvertreters aus, der seine schutzlose Mandantin aus den Klauen einer einseitig agierenden Justiz befreien möchte. Die Motive der Angeklagten bleiben hingegen eher ein Mysterium: Robin Wrights Mary Surratt umgibt eine Aura des Geheimnisvollen. Wortkarg vereitelt sie die Versuche Aikens, ihren Panzer des Schweigens zu durchbrechen, melancholisch und würdevoll. Wright, gerne abonniert auf hochgradig sensible, verletzte Frauenseelen, hält sich dieses Mal angenehm zurück.
Kongenial unterstützt wird Sean Penns Ex-Gattin durch ihre Filmtochter Evan Rachel Wood: Als standhafte Südstaatenschönheit Anna Surratt löst Wood einen weiteren Teil jenes Versprechens für Zukunft ein, das sie einst im Teenager-Drogendrama "Thirteen" gab.
Elegant und fast schon anheimelnd kommt Redfords "Lincoln Verschwörung" daher: Weicher Kerzenschein raubt dunklen Gassen, unzweifelhaft parteiischen Gerichtssälen und sogar Steinkerkern ihre Unwirtlichkeit. Ob dies ein adäquater optischer Ansatz ist, sei dahingestellt; hübsch anzusehen ist der Film allemal.
Linksdenker Redford widmet sich nicht nur einer Story von zweifelhafter historischer Relevanz, sondern beschwört einmal mehr vermeintlich verlorengegangen Werte und klagt indirekt das System im allgemeinen an. Immerhin übt er dabei Zurückhaltung und gewinnt überdies als Regisseur ein wenig an Boden zurück - hatte er doch mit seiner letzten Arbeit, dem leblosen Politdrama "Von Löwen und Lämmern", zuvor maßlos enttäuscht.
Dietmar Wohlfart
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