Video_Die Brücke - Transit in den Tod (Staffel 1)
Libidinös, aber spannend
Ein brünstiger Kommissar, eine an Asperger leidende Kollegin und ein psychopathischer Täter: Die neue Krimiserie aus dem hohen Norden ist packend inszeniert - und verrät einiges über ihren Erfinder.
07.05.2012
Es ist noch gar nicht so lange her, daß der EVOLVER fragte, was um alles in der Welt sich das schwedische Autorenduo Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt dabei dachte, als es Der Mann, der kein Mörder war verfaßte. Sein Krimidebüt entpuppte sich als wenig raffiniert, stattdessen zog es als aufgeblasene Sexschmonzette den Ärger so mancher Leser auf sich.
Nach Sichtung von "Die Brücke - Transit in den Tod", einer dänisch-schwedischen TV-Produktion, für die ausgerechnet Hans Rosenfeldt Idee und Drehbuch lieferte, ist zumindest eines klar: Der Autor kann nicht anders. Also ohne Sex.
Schon in einer der ersten Szenen fällt der dänische Kriminalkommissar Martin Rohde, während er sich stöhnend sein geschwollenes Gemächt hält, neben seine Frau ins Bett. Nach fünf Kindern von drei Ehefrauen hat er sich endlich sterilisieren lassen. Allerdings zu spät, denn seine Gattin ist schon wieder schwanger. Schon wieder Zwillinge.
Und was macht Rohde nur einen Tag später? Er vögelt eine andere Frau. Weil er nicht anders kann. Also ohne Sex. Konsequenterweise setzt ihn seine Gattin vor die Tür. Er findet Unterschlupf bei seiner Kollegin, der schwedischen Kriminalkommissarin Saga Norén, die aufgrund eines Asperger-Syndroms auch so ihre Probleme mit den Gefühlen hat. Wenn es sie einmal überkommt, was gar nicht so selten ist, angelt sie sich am liebsten einen Wildfremden in der Disco - oder August, Martins Sohn aus erster Ehe, der ständig nur vor dem PC sitzt und mit seiner Ex-Freundin chattet.
Zweifellos eine Vielzahl libidinöser Probleme, die die Damen und Herren Polizisten zu bewältigen haben. Viel zu viele, könnte man meinen, und sich sogleich an Rosenfeldts Krimidebüt erinnert fühlen. Also an die Sexschmonzette.
Doch mit einem solch abwertenden Urteil täte man zumindest der TV-Serie großes Unrecht. Denn trotz aller erotischer Reigen, die Erfinder Rosenfeldt seine Figuren tanzen läßt, bleiben deren Eskapaden über die meiste Zeit hinweg im Hintergrund, allenfalls als zusätzlicher, dramaturgisch nicht unbedingt notwendiger Konflikt in einem sehr wohl spannenden Thrillerplot.
Dieser beginnt, als auf der Öresundbrücke, die Dänemark mit Schweden verbindet, genau auf der Grenze zwischen beiden Staaten, die zweigeteilte Leiche einer schwedischen Stadträtin gefunden wird. Weswegen auch die schwedische Kommissarin Saga Norén den Fall übernimmt. Doch in der Gerichtsmedizin stellt sich heraus, daß der untere Teil des Körpers von einer dänischen Prostituierten stammt, weshalb nun auch Kommissar Martin Rohde dem Fall zugeteilt wird.
Von diesem Moment an hetzen die beiden Polizisten einem hochintelligenten Psychopathen hinterher, der mit scheinbar willkürlichen Opfern nur ein einziges Ziel verfolgt - die Öffentlichkeit auf die gesellschaftlichen Mißstände in Dänemark und Schweden hinzuweisen: Ungleichheit vor dem Gestz, Ignoranz gegenüber Obdachlosen, Einsparungen im psychiatrischen Bereich, mangelhafte Integration von Ausländern, Gleichgültigkeit gegenüber Kinderarbeit.
Doch natürlich ist der wahre Antrieb des Täters ein ganz anderer. Doch das erfährt der Zuschauer erst nach mehr als acht spannenden Fernsehstunden, in denen überraschende Wendungen und merkwürdige Charaktere immer wieder neue Rätsel aufgeben. Bis am Ende auch die privaten, erotischen Verwicklungen der Ermitller mehr sind als nur skurriler Hintergrund ...
Nach den eher mittelmäßigen TV-Produktionen Nordlicht und Verdict Revised ist "Die Brücke - Transit in den Tod" also endlich wieder ein überzeugendes Krimiprodukt aus dem hohen Norden: glänzende Bilder, schnelle Schnitte, gute Story, bestens aufgelegte Schauspieler.
Vor allem Sofia Helin überzeugt in der Rolle der autistischen Saga Norén, die genial in ihren Emittlungsmethoden, aber ansonsten kaum fähig zu einer Gefühlsregung ist. Eine ungewöhnliche Heldin, mit der man sich ein Wiedersehen wünscht.
Marcel Feige
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