Video_Blackthorn
Ain’t no Grave
Butch Cassidy lebt. Zumindest in Mateo Gils kargem Neo-Western. Sam Shepard spielt eine müde Legende, die wider Willen noch einmal in Aktion tritt.
24.04.2012
Zusammen mit Sundance Kid (Padraic Delany) bildete Butch Cassidy (Sam Shepard) einst jenes berüchtigte Verbrecherduo, das die Ordnungshüter seiner Zeit - allen voran den Pinkerton-Getreuen Mackinley (Stephen Rea) - zur Verzweiflung trieb.
Offiziell fanden beide jung den Tod, doch tatsächlich kam Cassidy mit dem Leben davon, nahm den Namen James Blackthorn an und ließ sich in Bolivien nieder; wo er nun, noch Jahre später, zufrieden mit seiner jungen einheimischen Freundin Yana (Magaly Solier) auf einer Farm lebt.
Zumindest bis zu jenem Tage, an dem er beschließt, sein Bankkonto aufzulösen, die Zuchtpferde zu verkaufen und Yana zu verlassen. Mit seinen gesamten Ersparnissen im Gepäck wird der alte Scharfschütze von dem auf der Flucht befindlichen jungen Spanier Eduardo Apodaca (Eduardo Noriega) angegriffen, der Blackthorn irrtümlich für einen seiner zahlreichen Jäger hält.
Blackthorn gelingt es zwar, Eduardo zu überwältigen, doch steht er plötzlich mittellos da - sein treues Pferd galoppiert, aufgeschreckt vom Kampf, samt allen Geldreserven davon. Widerwillig geht er ein Zweckbündnis mit dem Spanier ein. Denn Eduardo hat einen mächtigen bolivianischen Tycoon um 50.000 Dollar erleichtert. Der junge Dieb ist bereit, die Hälfte an Blackthorn abzutreten, wenn dieser im Gegenzug für seine Sicherheit garantiert.
Die gealterte Version Butch Cassidys ist ein Mann, der mit seiner turbulenten Vergangenheit abgeschlossen hat. Als er sich auf ein vermeintlich letztes Abenteuer einläßt, weckt dies zwangsläufig Erinnerungen an die guten alten Zeiten. Doch Eduardo ist kein Sundance-Ersatz und Butch nicht mehr der Heißsporn vergangener Tage. So ist der Draufgänger von einst im Grunde genommen auf sich allein gestellt - Blutsbruder Sundance liegt bereits seit Jahrzehnten unter der Erde.
Auf spektakuläre Stunts und Verfolgungsjagden wird in "Blackthorn" weitgehend verzichtet, ebenso auf theatralische Gesten, aufwendig choreographierte Todesballette oder Gänsehautsymphonien. Dafür gibt es in Mateo Gils Film satte Aufnahmen der malerischen bolivianischen Prärie zu bestaunen.
Der Streifen gestattet fast gar keine Einblicke in die Innenleben der Protagonisten: In seiner Inkarnation als zuweilen bärbeißiger Eremit ist Butch Cassidy nur mehr ein Schatten seiner eigenen Wild West-Legende. Nur das Gedenken an seine Gefährten von einst und längst vergangene gemeinsame Taten lassen den Mythos gelegentlich erstrahlen.
Immerhin läßt Sam Shepard sporadisch erahnen, daß im Ernstfall immer noch mit dem alten Fuchs zu rechnen ist. Noriegas diebischer Eduardo ist dagegen der Beweis dafür, daß der in die Jahre gekommene Blackthorn mit verläßlichen Freundschaften nicht mehr spekulieren darf. Ähnlich verhält es sich mit der verbliebenen staatlichen Opposition in Person des versoffenen Pinkerton-Detektivs Mackinley: Stephen Reas Figur wird von einem gegen Ende hin etwas planlosen Drehbuch auf einen unglaubwürdigen Zickzackkurs geschickt.
"Blackthorn" ist von der Inszenierung her auf das nackte Skelett eines Westerns reduziert. Trotz guter darstellerischer Leistungen und schöner Landschaftseinstellungen vermag der Film aber nicht zu halten, was man sich vielleicht von einem Spätwestern verspricht - dafür fehlt es unter anderem schlicht an prägnanten Spannungsmomenten.
Dietmar Wohlfart
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