Video_Yeah Yeah Yeahs - Tell Me What Rockers to Swallow
Gehypetes Chaos
Nach nur einem Longplayer werfen die New Yorker bereits eine DVD auf den Markt. Ausverkauf? Fans dürfen beruhigt sein: Auch live dominiert die Strategie des Chaos.
08.11.2004
Schweiß, Speichel und zerschlissene Strümpfe: Zutaten, aus denen Männerträume geschnitzt sein könnten. Warum Karen O, die hyperaktive und charismatische Frontfrau der Experimentalisten-Rocker Yeah Yeah Yeahs, mit diesen Ingredienzien vor allem bei Frauen kreischenden Jubel auslöst, das muß auch am speziellen Karma des Ortes liegen: Im Fillmore Theatre von San Francisco sorgte schon Jimi Hendrix für legendäre Gigs. Möglicherweise haben auch die Grün wählenden HipHopper von Cypress Hill bei ihrem Live-Auftritt ("Live At The Fillmore", 2000) mehr als nur Glückseligkeit in der Luft zurückgelassen.
Die Live-DVD "Tell Me What Rockers to Swallow" wartet jedoch nicht mit Aufforderungen zum Haschischrauchen auf; die Yeah Yeah Yeahs konzentrieren sich eher auf das Wesen der Musik. Und weil sich Gitarrist Nick Zinner gemeinsam mit dem Mann an den Drums, Brian Chase, live unglaublich stark konzentrieren kann, wandelt sich der ungeschliffen rauhe Sound zu einer festen, klaren Konsistenz, die kein Mixer der Welt zerhacken kann. Das besorgt die zwischen kreischender Hysterie und zerbrechlich sanfter Melancholie schwebende Stimme von Karen O.
Die Trash-Lady - ihr rückenfreies, schwarzglitzerndes Abendkleid schafft seinen Weg gerade mal bis fünf Zentimeter unterhalb der Hüfte - ist die treibende Kraft des Post-Punk-Trios. Impulsiv und explosiv brettert sie über die Bühne, wälzt sich am heimeligen Boden, spuckt genüßlich Flüssigkeiten in die brodelnde Menge und hat sichtlich ihren Spaß daran, ein bedeutender Teil des Hypes zu sein. Und die zweiköpfige, eher introvertierte Musikfraktion? Die verfolgt das Grundkonstrukt der MP3-Technologie: Die Songs werden auf die gerade einmal notwendige Essenz komprimiert, die verschnörkelten und flatternden Töne entstehen beim Zuhören im Kopf. Und natürlich bei der Power-Live-Performance von Karen O.
Ganze drei Tracks ihres Debütalbums schafften es nicht auf die DVD, dazu kommen aber neben anderen Veröffentlichungen Songs aus ihrer dreizehnminütigen (!) EP "Yeah Yeah Yeahs". Lieder wie das von Trash-Elementen verseuchte und keiner Linie folgende
"Rockers to Swallow" oder das für YYY-Verhältnisse schon fast sanft anmutende "10x10" können, sollen, müssen es auf die nächste, 2005 erscheinende Platte schaffen.
Ein Feature der DVD, der Blick hinter die Kulissen eines Japan-Konzerts, ist ebenfalls sehenswert: Die asiatischen Mädels bekommen von Karen O. nicht nur Hits wie "Maps" oder "Y-Control" zu hören. Bei einem Meet-and-Greet gibt´s einen Crash-Kurs in Sachen "How To Put On My Make Up In Five Seconds". Dazu kriegen sie noch Blut zu sehen und sind Zeugen einer erfolgreichen Gitarrenzerstörung.
Neben allen YYY-Videos darf eine Dokumentation über Konzertbesucher vor, bei und nach dem Gig in San Francisco als Highlight der DVD angesehen werden. Das kleine, süße, zehnjährige Mädchen Sidney ("My mother liked Sid Vicious!") wirft dem Kameramann ein "This is my first concert ... dude" vor die Linse. Später findet man ihr authentisches Funkeln in den Augen in der ersten Reihe des Fillmore Theatre wieder.
David Krutzler
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