Warp Vision - The Videos 1989-2004
ØØØØØ
(DVD + Bonus-Mix-CD)
Warp/edel (GB 2004)
Perverse Teddies, Oma-erschreckende Mutantenfratzen und Schweine in Chefetagen: grandiose Rückschau eines Labels, das nicht nur Musik-, sondern auch Clip-Geschichte schrieb. 06.12.2004
Kaum ein anderes Label konnte sich in den Neunzigern eine eindrucksvollere und unverwechselbarere Corporate Identity erarbeiten als das 1989 in Sheffield gegründete Warp Records. Das läßt sich zum einen selbstverständlich auf die absolut innovativen Sounds und Klangästhetiken seiner wegweisenden Künstlerpersönlichkeiten zurückführen, zum anderen - und nicht weniger bedeutenden - Teil auf deren visuelle Umsetzung. Denn auch in Sachen Videoclips ging man bei Warp selten den Weg des geringsten Widerstandes, sondern war sich für Innovation und Forschungsdrang nie zu schade oder gar zu feig. Das gilt bis zum heutigen Tag und muß in seiner Konsequenz als mutige Strategie angesehen werden, da sich doch zumindest im deutschsprachigen Raum Musikkanäle kaum noch mit dem Abspielen von Musikvideos befassen. Und wenn doch, dann am ehesten noch mit Retortenfilmchen, in denen dann mit ausdrucksloser Miene zu noch ausdrucksloserer Musik wahlweise mit Muscle-Shirt, Goldketterl und Hotpants-Chica im Arm (your average Jiggy-HipHop-Video) oder ganzkörperlederpaniert und belämmert theatralisch (die ganze Welle von Plastik-Goth-Metal-Pop-Schnullis, as in Within Temptation etc.) herumgestanden wird. Wie überhaupt viel unnötig Herumgepose ist in den Musikclips dieser Welt.
Genug abgeschweift. Bei Warp wird und wurde ein Clip ohnehin nicht als möglichst ablenkungsfreie Ergänzung zur Musik gesehen, sondern als originär existierende Kunstform mit eigener dazugehöriger Metaebene. Was sich aber zu Beginn noch etwas zaghaft und verhalten anließ (Ausnahme: David Slades S/M-Visionen zu LFOs "Tied Up"), erfuhr dann Mitte der Neunziger durch einen gewissen Herrn Chris Cunningham eine gewaltige - um nicht zu sagen: monströse - Katalysatorwirkung. Denn der ehemalige Setdesigner (unter anderem für "Alien 3") schaffte es, mit gerade einmal einer Handvoll Videos Clip-Geschichte zu schreiben. Allen voran steht klarerweise der auch sieben Jahre nach seinem Erscheinen noch verstörende Mindfuck zu Aphex Twins "Come to Daddy", in dem ins betongraue Vorstadtgrauen das reale Grauen in Form von fratzenschneidenden Mutantenkindern zu wahrhaft infernalischem Breaks´n´Lärm hereinbricht, um die Seelen der Alten zu holen. Nicht weniger fies sind Cunninghams Arbeiten zu Squarepushers "Come on My Selector", womit er 1997 die Ästhetik des Neo-Japan-Horrorfilms vorzeitig in unsere Gefilde brachte, und wiederum für Aphex Twin, dem er für "Windowlicker" gleich einen Kurzfilm drehte, in dem er sehr nachdrücklich Gangsta-Rap-Klischees dekonstruierte und zu etwas sehr sehr Bizarrem mutieren ließ.
Bei aller Bewunderung für diese Großtaten (die man ohnehin schon in Form der 2003 erschienenen DVD "The Works of Chris Cunningham" zu Hause stehen haben sollte) haben "Warp Vision" und seine insgesamt 32 Videos aber auch noch allerhand hochinteressantes Material zu bieten: die Egotrips von so unterhaltsamen Exzentrikern - und da behaupte noch jemals einer, elektronische Musik habe keine Gesichter - wie Jamie Lidell, Beans und Jimi Tenor, den charmant-kühlen Technicolor-Romantizismus der Retro-Darlings von Broadcast, die tanzwütig gewordenen japanischen Schulgören in LFOs "Freak", das im guten Sinne drollige Animationsfilmchen zu Luke Viberts "I Love Acid" und nicht zuletzt die Clip-gewordene Erkenntnis, daß in den Konzern- und Chefetagen dieser Welt oft nicht nur sinnbildlich Schweine herangezüchtet werden (Pleix´ Clip zu Plaids "Itsu").
Und weil bei Warp die Einzigartigkeit eben selbst bei Musik und Bild nicht aufhört, sollte man auf die Erwähnung der wahrhaft schmuckhaften Verpackung - gestaltet wie immer von den Haus-und-Hof-Designern von The Designers Republic - in Buchform inkl. beigelegter Audio-Mix-CD nicht vergessen. Mehr (Geschmack) geht nicht. Definitely worth it.
Warp Vision - The Videos 1989-2004
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(DVD + Bonus-Mix-CD)
Warp/edel (GB 2004)
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