Video_The Children
Teuflische Fratzen
Wer keine hat, ist besser dran: Wie Tom Shankland eine Handvoll Kleinkinder in dämonische Todesengel verwandelt, muß man einfach gesehen haben.
23.12.2009
In der Weihnachtszeit gehören Verwandtenbesuche zur feierlichen Tradition. Ganz im Geiste dieses alljährlichen Rituals fallen Elaine (Eva Birthistle) und ihr Mann Jonah (Stephen Campbell Moore) zusammen mit Teenager-Tochter Casey (Hannah Tointon) sowie den beiden jüngeren Kindern Miranda (Eva Sayer) und Paulie (William Howes) in den verschneiten Landsitz der Verwandtschaft ein. Sie werden von ihren Gastgebern - Elaines Schwester Chloe (Rachel Shelley), Gemahl Robbie (Jeremy Sheffield) samt Nachwuchs Leah (Raffiella Brooks) und Nicky (Jake Hathaway) - zwar überschwenglich empfangen, doch die euphorische Stimmung trübt sich bald, als Paulie zu kränkeln beginnt und eine unnatürliche Unruhe die übrigen Kinder erfaßt. Casey verharrt in einer isolierten Trotzhaltung, da sie wegen ihrer Eltern nicht mit den Freunden abfeiern kann, bemerkt aber dennoch als erste die beunruhigenden Veränderungen, die sich um sie herum abspielen.
Kinder im Volksschulalter, die von einer rätselhaften Krankheit befallen und zu einer Bedrohung für die eigenen Eltern werden - dieses Konzept hätte leicht in einer kapitalen Bruchlandung voll ungewollter Komik enden können. Man denke nur an den mit einem Küchenmesser bewaffneten Wicht, der einst in der King-Adaption "Friedhof der Kuscheltiere" nicht einmal ansatzweise furchteinflößend wirkte und das Finale fast ins Lächerliche zog. In "The Children" finden sich derlei Peinlichkeiten nicht; vielmehr jedoch Elemente aus Hitchcocks "Die Vögel". Ähnlich wie in dem Tierhorror-Klassiker sind die unheimlichen Wandlungen zunächst subtiler Natur und bleiben - entsprechend oberflächlich und wohlwollend gedeutet - eine Zeitlang durchaus erklärbar. Auch hier werden normale Verhaltensmuster, in diesem Fall die Ordnung innerhalb der Familie, langsam außer Kraft gesetzt. Die Tragödie beginnt mit hysterischen Anfällen und unkalkulierbaren Attacken der Kleinen, die sich auf ihre stärkste Waffe verlassen: den durch kindliche Unschuld automatisch ausgelösten Beschützerinstinkt. Den verstehen die Bälger nach Belieben zu steuern und schließlich gegen ihre Erzeuger zu richten. Nur die hübsche Casey erkennt die herannahende Katastrophe und versucht verzweifelt zu intervenieren.
Die Annahme, daß Unheil nie von einem Kind - schon gar nicht dem eigenen - ausgehen kann, wird in "The Children" in einer diabolischen Umkehr aller Verhältnisse glaubwürdig auf den Kopf gestellt. Aus dem alltäglichen Chaos, dem scheinbar zwanglosen familiären Mit- und Gegeneinander, entsteht eine schier unerträgliche Spannung, die schließlich in der totalen Vernichtung des Ideals von der heilen Familie explodiert. Autor/Regisseur Tom Shankland erzählt seine Geschichte aufrüttelnd und konsequent, mit herrlich drastischen Höhepunkten durchsetzt.
Die Darsteller von "The Children" glänzen als Ensemble; Kamera und Schnitt vermitteln einen natürlichen Handlungsfluß ohne aufgeplusterte Effekte; nur der Soundtrack fällt ein wenig klischeehaft und plump aus. Trotzdem: Hitchcock hätte an diesem Film seine Freude gehabt. Und den Fratzen wahrscheinlich rechtzeitig a g´sunde Watschen verabreicht ....
Dietmar Wohlfart
Kommentare_
Endlich einmal wieder ein Film, der richtig begeistern konnte. Ein Film, der sich für die Vorstellung der Charaktere und der Situation Zeit nimmt. Da kann man getrost die raschen Kamerafahrten verzeihen, die hin und wieder eingestreut werden, zum Plot aber einfach passen und ihn vorantreiben. Hier stimmt einfach die Spannung, das Geheimnis und das offene Ende. Und ein besonderes Lob für die "Kleindarsteller", denen das Dämonische wirklich abgenommen wurde.
Insgesamt überzeugte mich der Film auf ganzer Linie. Sehr empfehlenswert für alle, denen Atmosphäre wichtig ist.