Video_Timeline
Wer hat an der Uhr gedreht?
Zeitreisen sind spätestens seit H. G. Wells in Mode. Die Belegschaft rund um Richard Donners bisher letztes Spektakel hätte es trotzdem bleiben lassen sollen.
21.12.2004
Eine Gruppe junger Archäologiestudenten wird mittels einer abenteuerlichen Maschine zurück in die Vergangenheit geschickt, um dort das Leben ihres Professors zu retten. Der ist nämlich nach einem Besuch beim Ausgrabungssponsor Doniger (David Thewlis) abgängig. Hinterlassen hat er nur seine Brille und eine handschriftliche Notiz ... und die werden auf das Jahr 1357 datiert. Als die Jungs und Mädels im französischen Castlegard ankommen, stellen sie noch dazu fest, daß ausgerechnet am Tag ihrer Ankunft die wohl wichtigste Schlacht zwischen England und Frankreich stattfinden soll.
Klingt spannend?
Wie wäre es damit: Der neue Film von Blockbuster-Regisseur Richard Donner ("Superman", "Goonies", "Lethal Weapon") nach einem Roman von Mega-Bestseller-Autor Michael Crichton ("Jurassic Park", "Westworld", "Coma") und mit den Shooting Stars Paul Walker ("The Fast and the Furious") und Gerard Butler ("Tomb Raider 2") ist jetzt als DVD erhältlich.
Klingt aufregend?
Leider ist "Timeline" weder noch - und außerdem sind die genannten Schauspieler alles andere als Stars. Die Expeditionsteilnehmer in "Timeline" wirken überhaupt allesamt strohdumm. Den brillentragenden Pummelfranzosen erwischt es naturgemäß als ersten, der mitgebrachte Marine dürfte in Sachen Nahkampf etwa so bewandert sein wie Jar-Jar Binks - und die Charaktere sind insgesamt nichtssagend und schablonenhaft; etwaige Motivationen wirken nicht einmal konstruiert. Insbesondere das ambitionierte Weiblein geht einem dabei schwer auf die Nerven. Keine Figur steht während der Handlung wirklich im Mittelpunkt, alles wird in amateurhaften Szenen nur angerissen. Regie-Routinier Richard Donner, der es eigentlich besser können sollte, wartet darüber hinaus mit einer höchst mittelmäßigen Inszenierung auf.
Während Brian Tylers Billigimitat des "Gladiator"-Scores je nach Bedarf vor sich hinleiert (im Film findet sich sogar eine abgekupferte Einstellung), wird gereist, gekämpft, gerannt und jede Menge Schwachsinn à la "I´ll do what I have to do" verzapft.
Ob dies alles nun an der mittelmäßigen Romanvorlage von Herrn Crichton liegt oder an einer tölpelhaften Adaption seitens der Drehbuchautoren Jeff Maguire und George Nolfi, fällt auch nicht mehr ins Gewicht. Nicht einmal die potentiell nette Lovestory zwischen Marek und der historischen Lady Claire ist ordentlich ausgearbeitet, geschweige denn die eigentliche Liebelei zwischen den potentiellen Hauptdarstellern. Aber vielleicht waren an allem auch die viel umsungenen Marketing-Fritzen der Produktionsgesellschaft schuld, die den Schreiberlingen zwecks Reißbrett-Publikumstauglichkeit wieder einmal ins Handwerk gepfuscht haben. Und da heißt es immer, die Vergangenheit sei dazu da, damit man aus begangenen Fehlern lernen kann ...
Tatsache bleibt: Nach der Sichtung von "Timeline" werden Sie sich höchstwahrscheinlich wünschen, die Uhr selbst zurückdrehen zu können, um eineinhalb Stunden ihres Lebens zurückzubekommen. Falls jedoch gerade wirklich nichts Besseres läuft, können Sie es ruhig riskieren.
Jürgen Fichtinger
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