Video_The Village
Der Film mit dem Dorf
Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus ... Eine fröhliche Liedzeile, die beim Sixth-Sense-Regisseur ganz andere Bedeutung bekommt. Jetzt auf DVD nachzuprüfen.
23.03.2005
An M. Night Shyamalan scheiden sich die Geister: Superhelden und Aliens beschreiten in seinen Filmen seltsame Pfade und lassen den Betrachter oft ratlos zurück. Die normale Reaktion bei Unverständnis ist Aggression auf den Preis der Kinokarte. So auch bei "The Village".
Was bisher geschah: Eine geschickt eingefädelte Marketingkampagne macht aus einem eigentlich "schwierigen" Film schnell einen Blockbuster. Zu Tausenden rennen die Menschen in die Megaplexe, um sich den Horrorstreifen mit Rotkäppchenfaktor anzusehen - und werden düpiert. Denn was bekommen Sie zu sehen? Something completely different!
Jetzt ist "The Village" auf DVD erschienen. Betrachtet man die riesigen Dorf-Stapel in diversen Megamärkten, wird einem schnell klar, daß da jemand davon ausgeht, daß dieser Trick ein zweites Mal funktionieren wird. Zu gönnen ist es dem Film allemal, denn mit "The Village" hat der gute "Nacht" eine Kür aufs Parkett gelegt. Unkaputtbar und mit allen sechs Sinnen ausgestattet zeigt der Dorffilm, daß auch ein roter Strich ein Special Effect sein kann (lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Review).
Bei Shyamalans atmosphärischen Märchen handelt es sich schlicht um ein raffiniertes Kunstwerk, vollgepackt mit Farben, Metaphern und Hinweisen. Und Gruselmonstern aus dem finsteren, finsteren Wald. Aber darüber darf man nicht sprechen, immerhin gehören sie der Gattung der Unaussprechlichen an.
Natürlich kann es Ihnen passieren, daß der Videothekar Ihres Vertrauens Sie vor dem Film mit den Worten "fad, unlogisch und pseudointellektuell" warnt, doch glauben Sie ihm bitte kein Wort. Er hat, wie übrigens die meisten Videothekeninhaber, keine Ahnung von dem Zeug, das er verleiht. Und dieses Stück Filmgeschichte wird ihm für immer bloß als "Der Film mit dem Dorf" in Erinnerung bleiben.
Im handelsüblichen Making-of mit Interviews und Casting-Aufnahmen ist eine etwas hölzerne Dokumentation über ein Vorbereitungscamp zum Dreh als Extra eingeflochten, wo die gesamte Schauspiel-Crew schmieden, zimmern und Käse herstellen muß.
Die Ausschnitte aus dem romantisch-verklärten Tagebuch der Hauptdarstellerin Bryce Dallas Howard sind wenig gehaltvoll, zeigen aber, mit welch Begeisterung die junge Dame aus Texas zu Werke ging. Mit William Hurt als Mentor und Filmvater kann Frau auch ein schlechteres Los ziehen und so sind Howards’ jugendliche Schwärmereien durchaus nachvollziehbar.
Wirklich interessant wird es bei den rausgeschnittenen Szenen. Vier sind es an der Zahl und bei zweien ("Die Geschichte von August" und "Pfeifen") weiß man nicht genau, wieso die nicht in der Endfassung enthalten sind. Auch Shyamalan selbst, als Kommentator dieser Szenen, hat hör- wie sichtbar veritable Probleme bei der Begründung. Mit verschachtelten Erklärungen und weitausholenden Gesten kommt er schließlich auf den Punkt und man erkennt die Probleme des Regisseurs beim Schnittvorgang. Denn diese kurzen Sequenzen des Unwohlseins geben dem Betrachter einen tieferen Einblick in die Gedankengänge eines Filmemachers, der sich trotz großer Schmerzen von einem zwar schönen, aber kleinen Teil trennt, um das Ganze noch mehr zu verzaubern.
Die Geschichte derer, über die wir hier nicht sprechen, zeigt dann, wie man auch ohne CGI zu einem unaussprechlichen Monstrum kommen kann. Statt des geplanten Roboterteils reicht ein Zeichenstift. So soll es sein.
Ein Film aus Shyamalans Jugend schließt dann die Bonusrunde.
"The Village" ist kein Gruselfilm, sondern ein gesellschaftspolitisches Märchen, in dem Liebe, Mord, Vertrauen und Eskapismus die Hauptrollen spielen. Die an dieser Stelle nach wie vor Unausgesprochenen spielen keine solche, da die eigentliche Hauptdarstellerin sie gar nicht sehen kann. Und das nicht nur, weil sie blind ist.
Kurzum: Dieser Film ist aufregend anders. Also kaufen Sie sich gefälligst die DVD!
Walter Reiterer
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