Video_The King oder Das 11. Gebot
Im Namen des Vaters
Die Konfrontation mit dem unehelichen Sohn bleibt für eine erzkonservative Pastorenfamilie nicht ohne Folgen: Spätestens, wenn der Bastard namens Elvis die eigene Stiefschwester verführt, muß Prediger William Hurt erkennen, daß er vom "7th Heaven" gar nicht weiter entfernt sein könnte ...
04.02.2008
Der junge Elvis (Gael Garcia Bernal) sucht zum ersten Mal seinen biologischen Vater David Sandow (William Hurt) auf, der im texanischen Corpus Christi residiert. Die erste Begegnung zwischen Elvis, der kürzlich seine Navy-Ausbildung beendet hat, und dem angesehenen Gemeindepastor ist allerdings nur von kurzer Dauer. Sandow reagiert kühl, im Wissen um die mögliche Sprengkraft, die der uneheliche Sohn - das Resultat einer gänzlich unchristlichen Affäre aus dem früheren Leben des Geistlichen - in sich birgt. Elvis´ Offenbarung würde die streng gläubige Bilderbuchfamilie - samt Sandows Stellung als moralische Institution innerhalb der Gemeinde - in ihren Grundfesten erschüttern. Deshalb soll sich der Knabe möglichst fernhalten; in Sandows Leben ist kein Platz für ihn.
Äußerlich ungerührt nimmt der junge Mann die Ablehnung des Vaters zur Kenntnis. Tatsächlich leitet er aber postwendend Gegenmaßnahmen ein: Erst verführt Elvis seine sechzehnjährige Stiefschwester Malerie Sandow (Pell James), die er über seine wahre Identität im unklaren läßt. Als Bruder Paul (Paul Dano), ein glühender Verfechter der umstrittenen "Intelligent Design"-These und seinem Vater loyal ergeben, von der Liaison erfährt, konfrontiert er Elvis - und stirbt durch dessen Hand.
Regisseur James Marsh beschert uns mit "The King" eine Rachegeschichte ohne echte Überraschungsmomente. Dabei präsentiert er den einigermaßen absehbaren Entwicklungsprozeß in idyllischen, distanzierten Bildern. Durch die zurückgenommene Inszenierung und das kaum näher ergründete Innenleben der emotionslosen Hauptfigur bleibt Elvis kaum einschätzbar - immerhin wird aber ein Rest an Überraschungspotential gewahrt. Ein gewisses Maß an unterschwelliger Bedrohlichkeit ist dem "King" nämlich nicht abzusprechen. Ob der Junge jedoch nach einem perfiden Masterplan handelt oder sein interner Zündmechanismus durch das jähe Hervorbrechen lange verborgener oder unterdrückter Rachegelüste aktiviert wird, bleibt ungewiß. Der Zusammenprall des heimatlosen Navy-Abgängers mit der in sozialen, gesellschaftlichen und spirituellen Belangen gefestigten Vorzeigefamilie der Sandows ist jedenfalls ein reichlich kontrastierender. Die Pastorenfamilie präsentiert sich als Idealphantasie des konservativen, gottesfürchtigen Flügels Amerikas. Dagegen ist Elvis ein junger Mann ohne Vergangenheit; bindungs- und wurzellos - ein Niemand.
An der Darstellerfront zeigt sich vor allem William Hurt souverän: In der stärksten Performance des Films wird Familienvorstand David, ein emsiger Prediger, der sich seinen Sohn Paul als Nachfolger formt, von dem routinierten Charaktermimen glaubhaft mit religiösem Eifer aufgeladen. An seiner Seite zerbricht eine alterslose Laura Harring als Filmgattin Twyla im Zuge von Pauls "Verschwinden" in begreiflicher Manier. Überbordend naiv und moralisch höchst fragwürdig kommt hingegen die junge Sandow-Tochter Malerie daher. Der nachvollziehbaren Anfälligkeit des unbedarften Mädchens für die Avancen des unscheinbaren - vom Vater abgelehnten und dadurch erst recht interessanten - Neuankömmlings, folgt Maleries absonderliche Reaktion auf den von Elvis eingestandenen Brudermord.
Marsh widmet sich der gewaltsamen Entzauberung des feinsäuberlich abgesteckten, kleinstädtischen Familienfriedens durch einen unauffälligen Außenseiter, vermag es dabei jedoch nicht, frische Impulse zu setzen - falls dies überhaupt seine Absicht war. Sein "King" ist eine grundsolide, aber eben auch kaum erinnerungswürdige Rache-Story, anständig gespielt und lakonisch. Die Krönungszeremonie muß ihr jedoch leider verwehrt bleiben.
Dietmar Wohlfart
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