Video_Thank You For Smoking
Rauch(dich)frei
Warnung: Dieser Artikel kann Rauchern die Lust am nächsten Glimmstengel erheblich vermiesen! Darum sollte er nur von passionierten Nikotin-Junkies konsumiert werden, die solche Warnungen ohnehin ignorieren.
15.03.2007
Das Schicksal ist ironisch, grausam und geschmacklos. Das beweist es uns immer wieder mit gänzlich unsubtilen Hinweisen auf unsere dekadente, undurchdachte Lebensweise. Man denke nur an das Jahr 1992, als der Marlboro-Mann 49jährig an Lungenkrebs starb.
Was für ein Anstoß - oder eher schon ein Rempler in Richtung: "Jetzt habt ihr´s aber dann begriffen, oder?" Als ehemaliger Raucher weiß auch der Verfasser dieser Zeilen, wie das so ist mit der Einsicht. Man kennt sich ja eh aus: Rauchen ist ungesund, bringt nichts, kostet Geld, und man ist drogensüchtig. Aber frei!
Das Argument der freien Entscheidung benutzt auch Nick Naylor (Aaron Eckhardt), die Hauptfigur in "Thank You For Smoking", ständig. Als Pressesprecher des Instituts für Tabakstudien, also der Tabak-Lobby, predigt der aalglatte Yuppie immer wieder die gleichen Formeln von Freiheit und Ausflucht. Wenn jemand rauchen möchte, muß ihm dies gestattet sein; daß Menschen sterben, habe ja auch andere Ursachen, und so weiter. (Anmerkung der Redaktion: Genau so ist es.) Doch geht es Nick gar nicht so sehr um die Tatsache des Rauchens, sondern mehr um das Nützen seiner Talente: Rhetorik und Argumentationsfindung. Herr Naylor kann nämlich auf sein Gegenüber einreden, bis selbst dem - moralisch auch nicht ganz astreinen - Senator Finistirre die Antworten ausgehen. Finistirre, dargestellt von William H. Macy, ist der härteste Gegner der Tabakindustrie und somit auch Nicks, möchte er doch Aufkleber auf den Zigarettenpackungen anbringen, die vor dem Rauchen warnen sollen.
An dieser Stelle bemerkt der aufmerksame Zuseher zum ersten Mal, daß die Romanvorlage zum Film nicht mehr ganz taufrisch ist: Der Roman von Christopher Buckley stammt aus dem Jahre 1994, also aus einer Zeit, in der man seine Tschikpackerl noch nicht durch irgendwelche vorhersehbaren, dummen Augenauswisch-Sprüche wie "Rauchen kann ihre Spermatozoen schädigen"- na, da schau her! - versaut wurden. (Anm. d. Red.: Wann kommen diese Sprüchlein endlich auch auf Handies?) Vor dieser Verschandelung der doch so aparten Zigarettenpackungen möchte uns auch Nick Naylor beschützen und ist für die zuverlässige Erledigung seines Jobs bereit, einige Strapazen auf sich zu nehmen. Dabei wird er von militanten Nichtrauchern fast ermordet und von seinem geliebten Sohn beinahe verachtet, weil dieser mitansehen muß, wie sein Vater den krebskranken Marlboro-Mann besticht, damit der alte Cowboy doch gegenüber den Medien seinen vorlauten Mund halten möge.
Mit seiner gelungenen Satire beweist Reitman jr., daß der Apfel durchaus weit vom Stamm fällt. Regisseur-Papa Ivan Reitman kann man nicht gerade als Meister des subtilen Humors bezeichnen, wurden seine Filmfiguren doch angeschleimt ("Ghostbusters") oder von einem überdimensionalen Rektum gejagt ("Evolution"). Der Sohn des Komödien-Routiniers, Jason Reitman, zeigt in seinem Spielfilmdebüt "Thank You For Smoking" jedoch den Willen, dem Brachialhumor seines Vaters abzuschwören: Alle Darsteller, von Katie Holmes über Elliot Gould bis zum Hauptdarsteller Aaron Eckhardt, wurden von ihm zu souveränen, zurückhaltenden Leistungen animiert. Besonders die Szenen, in denen das TAG-Team (TAG= tödlich, aber gut), bestehend aus Nick Naylor mit seinen beiden (einzigen) Freunden aus der Waffen- und Alkohol-Lobby, darüber diskutiert, auf wessen Konto die meisten Todesfälle pro Jahr gehen, entbehren nicht einer gewissen Ironie.
Allerdings nicht der des Schicksals - denn das schlug in punkto Rauchen das bisher letzte Mal 2005 zu, als Ellen Carr, der Verfasser von "Endlich Nichtraucher" und aufrechter Kämpfer gegen den schädlichen Dunst, nach 23jähriger Nikotinabstinenz an Lungenkrebs verstarb. Pech.
Nikolaus Triantafyllidis
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