Video_The Texas Chain Saw Massacre
The Saw is family
Pünktlich zum 35-jährigen Jubiläum von Tobe Hoopers Terrorklassiker erscheint hierzulande eine prächtige Limited Edition, die den Film restauriert und mit reichlich Bonusmaterial erstmals auf Blu-ray präsentiert. So gut haben Schrecken und Entsetzen noch nie ausgesehen ...
27.01.2010
Gibt es einen Gewaltausbruch in unserer Gesellschaft, sei es ein Amoklauf oder ein Schüler, der seine Lehrerin auf offener Straße ersticht, bleibt stets die Frage nach dem Warum. Eine klare Antwort darauf gibt es selten, ein Schuldiger muß trotzdem her, und sei es nur für die Medien.
Eines ist jedoch sicher: Die menschliche Seele steckt voller Abgründe, die sich zwar nur selten offenbaren, aber wenn, dann ordentlich ...
Tobe Hoopers "The Texas Chain Saw Massacre" geht diesem Phänomen - dem Amoklauf eines vermeintlich Irren - aber nicht auf den Grund, sondern macht es erfahrbar. Sein Film beginnt mit kurzen Bildern von Leichenteilen, die mit komplett schwarzen Frames abwechseln. Etwas Schreckliches wird suggeriert, etwas Widerwärtiges, das jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Erklärung findet. Hooper präsentiert im Verlauf des Filmes stattdessen nur noch mehr fragile Seelen, Rednecks, die im texanischen Hinterland ihr Unwesen treiben, teils degeneriert und mit einer unheimlichen Aura versehen.
Im Kontrast dazu stellt uns Hooper "normale" Menschen zur Seite, Sally (Marilyn Burns) und ihren invaliden Bruder Frank (Paul A. Partain), die trotz ihres Hippieerscheinungsbildes eine jugendliche Unschuld ausstrahlen, die ihnen zum Verhängnis werden soll. Langsam geht Hooper sein Terrorkino an, liefert immer wieder einzelne Bilder, die die Unheimlichkeit des Ganzen heraufbeschwören, aber dennoch mehr suggestiv als explizit sind. Seien es das tote Gürteltier auf der Straße gleich zu Beginn oder der Knochenschmuck, der das Haus bereits von außen morbide ziert. Bei alledem zieht sich eine Statik durch Daniel Pearls Bilder, von der eine gewisse Schönheit ausgeht, kann die texanische Einöde doch zu Teilen durch ihre eindrucksvolle Natur begeistern.
Es gibt so gut wie keine schnellen Kameraschwenks oder hektischen Schnitte, es ist die Ruhe vor dem Sturm. Es dauert eine ganze Weile, bis die mittlerweile zur Ikone gewordene Figur Leatherface (Gunnar Hansen) ihren ersten Auftritt hat und gleichzeitig ihr erstes Opfer auf den Metzgertisch legen darf. Den Hammer auf den Kopf oder das rohe Fleisch auf den Haken aufgespießt, schon ist der Spuk vorbei. Keine langen und blutigen Einstellungen von Qualen, wie sei heutzutage immer selbstzweckhafter Einzug ins Horrorkino finden. Vielleicht sind es ebenjene wenig expliziten Bilder, die das wahre Grauen ausmachen, fordern sie doch buchstäblich unsere Imagination heraus. Selbst die Schreie von Pam (Teri McMinn) verhallen recht schnell, hat Leatherface sein Werk erst einmal vollendet.
Der menschliche Körper, reduziert auf das Fleisch - was sich bereits in Pams spärlicher Garderobe manifestiert: Wenn sie sich in einer Szene dem Haus nähert, folgt Kameramann Pearl ihr langsam von hinten, sodaß es den Anschein hat, als trage sie außer einer Hose keinerlei Kleidung. Es ist viel Fleisch zu sehen, Fleisch, das Erinnerungen an die Viehherde zu Beginn weckt, die auf engstem Raum im Verschlag ihr Dasein fristet - wie die vier Jugendlichen, die im VW-Bus schwitzen und endlich raus wollen. Draußen bleibt ihnen jedoch nur noch der Weg ins Schlachthaus, ob sie wollen oder nicht.
Sobald Sally und Leatherface jedoch auf den Beinen sind, wechseln auch die statischen Bilder in schnelle Schwenks und schnellere Schnitte, eine Dynamik durchdringt den Film plötzlich, die so nicht abzusehen war und in dieser Form einen großen Kontrast zum Bisherigen darstellt. War vorher die Totale eine beliebte Einstellung, so ist es jetzt das Close-Up, das beispielsweise auf Sallys weit aufgerissene Augen hält, die vor Angst fast schon zu platzen scheinen. Hooper macht den Horror und den Terror erfahrbar, knallt dem Zuschauer die ganze Angst dieser jungen Frau vor den Latz und wird dennoch selten physisch.
Es ist die Nähe, aber auch gleichzeitig die Distanz, diese Dichotomie, die diese unglaubliche Terrorwirkung entfaltet. Es sind diese Fratzen, keine Gesichter, die sich in die Augäpfel - nicht nur Sallys - brennen. Auch auf der tonalen Ebene ist dies bemerkbar. Egal, ob das nahezu undefinierbare Geräusch zu Beginn oder das lautstarke Gelächter der Fratzen, Sallys Schreie übertrumpfen alles, bis man sich irgendwann nur noch wünscht, daß doch bitte endlich alles vorbei sein möge, und man diesen grauenhaften Schreien nicht mehr ausgesetzt ist.
Doch Hooper kommt dieser Aufforderung nicht nach, im Gegenteil, es zieht keine Ruhe im Film ein, nicht einmal, wenn Sally ihrem Angreifer in letzter Sekunde entkommen kann. Ihre Schreie werden lediglich vom Motor der Kettensäge übertönt, die noch einige Sekunden lang brummt, bevor ein harter Schnitt der gruselig-schönen Szenerie im Abendrot ein Ende setzt. Der Terror ist damit aber noch lange nicht vorbei.
Besonders auf der Blu-ray kommt dies natürlich zur Geltung, die vor kräftigen Farben nur so strotzt und keinerlei Schmutz oder sonstiges Grain aufweist. Lediglich ein dezentes Hintergrundrauschen, wohl der Digital Noise Reduction (DNR) zuzuschreiben, ist vernehmbar, aber wenn man bedenkt, daß es sich hier im Original um 16mm-Material handelt, dann bleibt einem fast schon die Spucke weg. Auch die DVD kann sich mehr als sehen lassen und ist im deutschsprachigen Raum unter all den Kopien wohl ohnehin das derzeitige Nonplusultra. Auch die Extras können restlos begeistern, denn erstmals ist alles deutsch untertitelt. Besonders empfehlenswert ist hierbei der Audiokommentar von Tobe Hooper, Gunnar Hansen und Daniel Pearl, denn er ist nicht nur äußerst informativ, sondern zeigt auch, welchen Spaß die Beteiligten beim Dreh hatten, und wie gut sie noch heute miteinander können.
Tobe Hoopers "The Texas Chain Saw Massacre" ist endlich die Veröffentlichung zuteil geworden, die der Film verdient hat. Ein Meisterwerk und Meilenstein des Horrorkinos auf einer meisterlichen DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung, auf gerade einmal 5.000 Exemplare limitiert und numeriert. Die DVD wird übrigens ausschließlich in Österreich von MPI veröffentlich (in Deutschland kommt der Titel in dieser Form nicht heraus).
Stefan Rybkowski
Kommentare_