Video_Song to Song
Ein Lied, das ihr liebt
Der Tenor nach Terrence Malicks jüngstem Werk fiel aus wie immer: Der Auteur präsentiere stets dasselbe - ähnlich wie die Kritik an seinen Werken, die sich in Witzeleien über gehauchte Erzählstimmen, an Parfümwerbung erinnernde Kameraarbeit und das Frohlocken in den Feldern erschöpft. Sein neuer Film wird ihm kaum neue Anhänger bescheren, liefert Fans aber das, was sie an ihm schätzen.
10.11.2017
Wer glaubte, Terrence Malick könnte das Feuilleton nicht noch mehr spalten als zuletzt mit "Knight of Cups", wird mit "Song to Song" eines Besseren belehrt. Selbst manchen Sympathisanten scheint der Texaner mit seinem jüngsten Werk vor den Kopf zu stoßen; zu ermüdend wirken die wiederkehrenden Themen von Liebe, Einsamkeit und Sinnsuche, eingebettet in eine schwebende Kameraarbeit.
Dabei wußte schon die amerikanische Kosmetikunternehmerin Elizabeth Arden, daß Repetition für Reputation sorgt - und Malicks Ruf bei Freunden seiner Werke unter den ewiggleichen Vorwürfen nicht leidet. Vielmehr schließt der Regisseur mit "Song to Song" eine thematische wie visuelle Trilogie ab, der "Knight of Cups" und "To the Wonder" vorausgegangen waren.
"Song to Song" erzählt eine für malicksche Verhältnisse enorm komplexe Geschichte. Im Mittelpunkt steht die junge Musikerin Faye (Rooney Mara), die vom Durchbruch in der Musikbranche träumt. Den verspricht sie sich von Musikproduzent und Lebemann Cook (Michael Fassbender), der wiederum sein Auge auf den Country-Musiker BV (Ryan Gosling) als künftigen Protegé geworfen hat.
Bei einer von Cooks Partys lernen sich Faye und BV kennen - und beginnen eine zarte Romanze, während Faye ihre sexuelle Beziehung mit Cook aufrechterhält. Der erkennt beim Anblick des jungen Paars jedoch, daß ihm diese Gefühle zu und von einer anderen Person fehlen. Und versucht sein (Liebes-)Glück schließlich mit der Kellnerin Rhonda (Natalie Portman).
Faye scheint dabei hin- und hergerissen zwischen der materiellen Sicherheit, die ihr Cook bietet und der emotionalen, die sie bei BV findet. Zugleich ist sie einer von vielen malickschen Charakteren auf der Suche nach sich selbst und seiner Bestimmung. Eine gewisse Leere treibt sie an, die sie sich vermutlich selbst nicht ganz erklären kann, die sie aber durch Sex zu füllen versucht.
Was alle Figuren eint, ist ihr Gefühl der Verlorenheit und Orientierungslosigkeit. Keine von ihnen weiß wirklich, was die Bestimmung ihres Lebens ist. Harmonie finden Faye, BV und Cook kurzzeitig in ihrer gemeinsamen Gesellschaft, langfristig ist dies jedoch kein Modell für fortwährendes Glück. Und so driften die Figuren im zweiten Akt des Film schließlich auch auseinander, kehren aber stets zueinander zurück.
Malick bestätigt mit "Song to Song" erneut seinen Ruf als einer der letzten Kinophilosophen und cineastischen Sinnsucher. Das große Wieso und Warum ist schon länger Bestandteil seiner Arbeit. Gerade in den jüngeren Werken scheinen die zentralen Figuren erst zur Ruhe zu kommen, wenn sie von ihrer Rastlosigkeit lassen; frei nach Albert Camus, der sinnierte, man werde nie glücklich sein, wenn man stets nach dem suche, woraus Glück besteht.
Dies alles erzählt Malick wie immer in den elegischen Bildern von Kameramann Emmanuel Lubezki, weniger durch das - ebenfalls wie immer - nicht vorhandene Drehbuch. Vielmehr besteht die nicht chronologisch präsentierte Handlung aus narrativen Fragmenten, die vom Zuschauer erfordern, sich in den Bildern des Regisseurs fallen zu lassen.
Der Inszenierungsstil Malicks kann dabei für manchen Darsteller eine Herausforderung darstellen. Gerade Michael Fassbender tut sich schwer; Rooney Mara und Ryan Gosling gelingt es jedoch durchaus, mit Blicken und Bewegungen einen Zugang ins klassische malicksche Spiel zu finden. Harmonischer wirken die zahlreichen Musiker-Cameos, sei es von Iggy Pop, Lykke Li, den Red Hot Chili Peppers oder Patti Smith.
Klar sollte inzwischen sein, daß Leute, die mit mit der Art und Weise von Terrence Malicks Filmemacherei nicht glücklich sind, dies wohl auch nicht mehr werden. Gut möglich ist es dennoch, daß Malicks kommendes Werk "Radegund" wieder gewöhnlicher daherkommt als die vergangenen drei Filme des Texaners. Aber auch wenn nicht, wäre das kein Beinbruch. Und die Kritik des Feuilletons ist ohnehin bereits geschrieben. Repetition bringt Reputation.
Florian Lieb
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