Video_Strike Back - Season 1-3

Schlag auf Schlag

Nach guten Serien sucht man im deutschsprachigen TV nach wie vor vergeblich. Sie laufen entweder gar nicht oder mit derartiger Verspätung, daß man sie längst als Import-DVD im Schrank stehen hat. Martin Compart stellt eine aktuelle britische Produktion rund um Geheimagenten und Söldner vor. Schnallen Sie sich lieber an!    21.01.2013

Natürlich ist Strike Back nicht "Spooks". Aber es ist mit Abstand die beste und zynischste Action-Serie, die man momentan sehen kann. Sie half mir über das Ende von "Spooks" hinweg, das ich bis heute nicht wirklich verschmerzt habe. ("Komm zurück, Harry, und zeig uns, wie MI5 weiterhin für die Demokratie eintritt und die Neo-Cons bekämpft!") Aber "Strike Back" spendete Trost. Nun endlich gibt es die dritte Staffel - und die vierte ist für 2013 bereits in Vorproduktion. Kein Action- oder Thriller-Fan sollte sie sich entgehen lassen. Und man muß seinen Fernsehsessel dazu mit Haltegurten ausstatten. Die Briten wissen halt, wie man einen Adrenalin-Cocktail zusammenschraubt!

 

 

Die ersten drei Staffeln sind mittlerweile bei uns auf DVD erhältlich. Geprägt ist die Serie von harter Action, exotischen Orten weit weg vom optischen Einerlei üblicher Hollywood-Produktionen (gedreht wurde u. a. in Südafrika) und einer wendungsreichen Handlung, die den Zuschauer zu jedem Zeitpunkt in Atem hält. Neu mit dabei ist in Season 3, Strike Back: Vengeance, Rhona Mitra ("Underworld - Aufstand der Lykaner") in der Rolle der neuen "Section 20"-Chefin Rachel Dalton."

Die erste Staffel mit Richard Armitage als John Porter, die Chris Ryans Romanvorlage weitgehend folgte, war eher eine sechsteilige Miniserie - überaus sehenswert, aber erst mit neuem Konzept und den Hauptfiguren von Season 2 lief die Serie zu Hochform auf. In Project Dawn, der zweiten Staffel, ist Section 20, eine militärische Abteilung des MI6, auf der Jagd nach dem Terroristen Latif, der Armitage auf dem Gewissen hat. Unter dem Kommando von Colonel Eleanor Grant (Amanda Mealing) agieren als Hauptfiguren der Ex-SASler Stonebridge (Philip Winchester) und der ehemalige Delta Force Scott (Sullivan Stapleton). Ihre pragmatische Prämisse könnte lauten: Wir agieren so, daß die Ereignisse, gegen die wir nichts wirklich bewirken können, auch gegen uns nichts bewirken. Die Patt-Situation als Sieg im andauernden Kampf für das Überleben des Systems. Auch eine Art Euro-Rettungsschirm ...

 

Die Handlung führte von Indien über Südafrika und den Sudan bis zum Balkan - und zwar so politisch unkorrekt, daß es eine Freude ist. Keine andere TV-Serie hatte wüstere Sexszenen jenseits der Pornographie und einen höheren Bodycount. Der "Guardian" nannte sie "Naked 24". Den meisten Sex hat Stapleton, und man nimmt seiner Figur Scott ab, daß die dauernde Todesnähe sie sexuell extrem aktiviert. Unter seiner Happy-go-lucky-Fassade lauert die Düsternis und Verzweiflung des Byronschen Helden.

Die Gewalt ist deutlicher, unangenehmer und realistischer als in anderen Fernsehserien, eher verstörend als voyeuristisch. Umso erstaunlicher, daß auch der Humor nicht zu kurz kommt und im Gesamtkonzept funktioniert. Allerdings ist es meist ein böser, zynischer Humor. Ein Beispiel: Eine ältere Dame, echter Gutmensch, nach schrecklichen Erlebnissen im Kosovo: "Ich bin doch hierher gekommen, um den Menschen zu helfen!"

Stonebridge: "Beim nächsten Mal."

 

 

Die Action hat Kinoqualität und ist großartig inszeniert. Im Vergleich mit "Strike Back" wirkt das deutsche TV-Action-Flaggschiff "Cobra 11" wie ein Mofa gegenüber einem Boliden. Es ist besser, man schnallt sich vor dem Fernseher an. Und was den politischen Zynismus angeht, kann in Deutschland sowieso alles einpacken. In Dänemark, England, Frankreich, Italien oder den USA wagt man eben auch mutige und originelle Konzepte; in Deutschland bleibt alles nur aufgeblasener Biedermeier. Selbst gelegentliche Unglaubwürdigkeiten nimmt man "Strike Back" nicht übel, weil die Serie in sich ein absolut geschlossener, charismatischer Kosmos ist, den deutsche Macher einfach nicht hinkriegen. Und dabei ist sie auch noch geopolitisch analytisch und aktuell. Andrew Anthony schrieb im "Guardian" darüber: "No scene lasted more than about 25 seconds in the first two episodes and no element of plot information was left unspoken. The dialogue is close to pure exposition, with an occasional clunkily macho line thrown in as a concession to dramatic atmosphere. Show, don´t tell, say the screenwriting gurus. This was show and tell.”

Die Serie schafft es in ihren Doppelfolgen, die einer übergeordneten Arc-Strategie anhängen, die aktuellen Krisenherde den interessierten Parteien zuzuordnen. Dabei kommen die beiden schießwütigen Protagonisten dann auch noch sympathisch rüber ("they are mean, brutal and deadly - and they are the good guys").  Beide haben Semtex in ihrer DNS. 

Vor den Dreharbeiten in Südafrika mußten die Hauptdarsteller in ein Bootcamp und anschließend ein militärisches Training durchlaufen, das von SAS- und SBS-Männern geleitet wurde. Man merkt es ihnen an: Jede Bewegung sitzt, und keiner würde sich versehentlich in den Fuß schießen. Winchester erinnert sich:

 

"Sully and I would meet every morning at 6am. We would run to a chosen location and on the way we had to memorise street names and directions and then our trainers would say 'that car that you just passed what was the licence plate number?' Our trainers were ex-SAS guys who made us study everything in detail, for example, we learnt step by step how to enter a room in twos, then alone. At the same time, we had to be constantly aware of where our weapon was trained."

 

Beeindruckend ist, wie gut die Serie atmosphärisch die jeweiligen Handlungsorte einfängt. Ob Sudan oder Kosovo (in der zweiten Season) - die geopolitischen Probleme werden aufgezeigt und in die Story einbezogen: jedes Dritte-Welt-Land mit eigenen Konturen der Hoffnungslosigkeit. Und das trotz der begrenzten Drehorte - meistens Südafrika oder Ungarn. Ähnlich gut gelingt es den Autoren, Empathie für jede Nebenfigur aufzubauen. Und selbst die übelsten Bösewichter sind keine Schablonen aus dem "Tatort".

 

Ganz am Anfang stand der Roman "Strike Back" von Chris Ryan, der zusammen mit Andy McNab, ebenfalls ehemals Special Force, den Agenten-Thriller neu belebte und so etwas wie ein Subgenre  entwickelte: den "Commando Thriller". Beide Autoren werden nicht müde, darauf hinzuweisen, wie sehr sie und ihre Kameraden von den Politikern verarscht und verheizt wurden. Sie sind echte Conspiracy-Freaks, die tatsächlich glauben, die Regierungen dienten nur den wirtschaftlichen Interessen einer kleinen Schicht und nicht dem Wohle des Volkes. Und sie behaupten allen Ernstes, der Irak hätte nicht über Massenvernichtungswaffen verfügt und man sei durch Lügen und Manipulationen in den Krieg gehetzt worden ...

Produzent Andy Harris entdeckte Ryans Roman am Flughafen und überzeugte Elaine Pyke von British Sky Broadcasting, eine Miniserie daraus zu machen. 2010 kam es für die zweite Staffel zu einer Zusammenarbeit mit der HBO-Tochter Cinemax.

Der einzige amerikanische Autor der Serie war Frank Spotnitz (vier Folgen von Season 2), der sich als Schreiber für "Akte X" einen Namen gemacht hat. Die meisten Folgen der dritten Season schrieb Tony Saint, der auch - wie Richard Zajdlic - bei der zweiten Season dabei war.

Ohne zu viel zu verraten: Der Erzschurke in "Strike Back: Vengeance" gehört zu den besten und originellsten des gesamten Thriller-Genres, Bond-Bösewichte inklusive.

 

 

Martin Compart

Strike Back

Leserbewertung: (bewerten)

GB 2010-2012

(dt. VÖ bei Warner, brit. bei 2entertain)

Links:

Kommentare_

flip - 15.02.2014 : 10.12
danke für den tipp.da krachts wie nirgends sonst im tv.

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