Video_Sleep Tight

Der Mann ihrer Alpträume

Faszination des Bösen: Ein depressiver Horror-Portier terrorisiert eine lebensfrohe Mieterin. Jaume "[Rec]" Balagueró inszeniert gepflegten Düster-Thrill in Hitchcockscher Tradition.    03.12.2012

Hausmeister César (Luis Tosar) ist jede Art von Lebensfreude fremd. Immerzu quält er sich durch den Alltag, frei von erfreulichen Emotionen und außerstande, einen tieferen Sinn in seiner Existenz zu finden. Doch César hat einen Weg entdeckt, seiner allgegenwärtigen inneren Tristesse entgegenzuwirken: Da er selbst unfähig ist, positive Gefühle zu empfinden, macht er sich an die Zerstörung allzu fröhlich auftretender Gemüter in seiner Umgebung, um diese in einen gefühlsmäßigen Abgrund zu stürzen, der seiner eigenen Hölle ähnelt. Indem er diesem perversen Konzept konsequent folgt, macht César in Frohnatur Clara (Marta Etura) ein perfektes Ziel aus. Und der unscheinbare Portier verfügt über die nötigen Mittel, um zum unsichtbaren Schrecken für seine Umwelt zu werden. Als Herr über den Rezeptionsbereich und ausgestattet mit den Schlüsseln zu sämtlichen Apartments des Mehrparteienhauses kennt er die Routinen und Geheimnisse aller Mieter. Unbemerkt verschafft sich César Zutritt in Claras Wohnung und beginnt ein teuflisches Spiel, dessen einziger Zweck darin besteht, das strahlende Wesen der jungen Frau auf immer auszulöschen.

 

Wie dieser Glücksvernichter die freundliche Clara systematisch und buchstäblich im Verborgenen bekriegt, befriedigt freilich den Voyeurismus des Zuschauers, der sich gespannt fragen darf, welche Gemeinheit dem bis in die kleinste Faser bösartigen Protagonisten als nächstes einfallen mag.

Regisseur Jaume Balagueró wandelt mit "Sleep Tight" auf den Spuren des großen Suspense-Künstlers Alfred Hitchcock. Wie Sir Alfred Jahrzehnte zuvor versteht es der Spanier, die latente Gier des Publikums nach dem - sich aus der vermeintlichen Unscheinbarkeit heraus entwickelnden - Grauen wirkungsvoll zu befriedigen. Der sadistische Portier César ist nicht nur ein klassischer Wolf im Schafspelz, sondern nicht weniger als die Personifizierung des Bösen; ein menschliches schwarzes Loch, das seine Mitmenschen ins Unglück stürzen muß, um selbst weiter existieren zu können.

Luis Tosar spielt als raffinierter Unheilsbringer groß auf. Spätestens wenn der sonst so hilfsbereit auftretende Mann des Nachts zuerst unter, später dann gar in das Bett des dann betäubten Opfers klettert, bekommt das "Monster unter dem Bett" Gesicht und Namen. Auf eine Entwicklung zum vielleicht eigentümlichen Anti-Helden hin verzichtet der Film; sein psychotischer Concierge bleibt stets eine unheimliche Kreatur ohne jegliches Identifikationspotential.

Die Wirkungsstätte des Stalkers und Einbrechers ist stets dunkel. Mutet die Schummrigkeit des Empfangsbereichs noch wenig bedrohlich an, so ist es mit Gemütlichkeit spätestens dann vorbei, wenn Balagueró sein Scheusal auf die nächtliche Dachterrasse, in die dunklen Flure oder die unterirdischen Katakomben des Apartmenthauses begleitet. Nicht nur Césars Gefühlswelt ist ein Ort der Finsternis - ein Umstand, dem Balagueró wie schon zuvor im Apartment-Schocker "[Rec]"mit Hilfe seines Kameramanns Pablo Rosso meisterlich Rechnung trägt.

Mit César wurde die Unbehaglichkeit in Person geschaffen - das menschgewordene Sicherheitsrisiko, das unsere intimsten Winkel heimsucht. Der Autor dieser Zeilen versteht Balaguerós Bösewicht aber auch als mögliche radikale Antwort auf die Heuchelei und Rücksichtslosigkeit einer fassadenhaften Gesellschaft.

Dietmar Wohlfart

Sleep Tight

ØØØØ

(Mientras duermes)

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Universum (Spanien 2011)

DVD Region 2
97 Min. + Zusatzmaterial dt. Fassung oder span. OF

Regie: Jaume Balagueró

Darsteller: Luis Tosar, Marta Etura u. a.

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