Die Unbekannte
ØØØ 1/2
(La Sconosciuta)
UFA (I 2006)
DVD Region 2
116 Min. + Zusatzmaterial, dt. Fassung oder ital. OF
Features: Audiokommentar, Making of, Featurette, Promo, Kinotrailer, Teaser
Regie: Giuseppe Tornatore
Giuseppe Tornatore auf Abwegen: Der nostalgische Melancholiker vollbringt mit diesem zuweilen recht grellen Psychothriller rund um ein waschechtes Luder einen Genrewechsel. 13.01.2009
Um als Hausmädchen beim Ehepaar Adacher unterzukommen, ist der ukrainischen Exprostituierten Irena (Kseniya Rappoport) jedes Mittel Recht. Über den korrupten Hausmeister (Alessandro Haber) eines Mehrparteienhauses, das hauptsächlich von Goldschmieden - unter ihnen auch Valeria (Claudia Gerini) und Donato (Pierefrancesco Favino) Adacher - bewohnt wird, gelangt sie schließlich in die Dienste der Familie. Bald etabliert sie sich auch als Gouvernante und schließt Freundschaft mit dem einzigen Kind ihrer Arbeitgeber, der kleinen Tea (Clara Dossena). Irina, die einst als Sexsklavin gedemütigt und schwer mißhandelt wurde, bleibt in ihrer stummen Fixiertheit stets einem geheimen Ziel verhaftet, dem sie alles unterordnet. Die Ukrainerin manipuliert, lügt, stiehlt und bahnt sich unbeirrbar ihren Weg, bis sie schließlich von ihrer Vergangenheit eingeholt wird ...
Natürlich füllen Irinas Geheimnis und ihr damit verknüpfter heimlicher Masterplan das Zentrum des Plots aus. Was treibt die Frau an? Woher rührt ihr spezielles Interesse an den Adachers? Regisseur Giuseppe Tornatore ("Cinema Paradiso", "Der Mann, der die Sterne macht") brandmarkt seine Akteurin ohne Umschweife als traumatisierte, gequälte Seele; eine in körperlicher und mentaler Hinsicht schwerverwundete Überlebende verheerender persönlicher Schlachten und Schicksalsschläge. Dabei bedient er sich einer teils überdeutlichen, regelrecht trashigen Bildersprache - dann etwa, wenn plump und blutig-überzeichnete Flashbacks diverse Schockerlebnisse aus Irinas Vorleben schrill ausleuchten. Die Hölle, aus der Irina als eine Art Restexistenz ihres einstigen Selbst entstiegen ist, wird in Fetzen eines plakativen Blitzgewitters aus purer Gewalt illustriert. Dabei läßt Tornatore gelegentlich die Grenzen der Logik und Glaubwürdigkeit hinter sich und operiert hart an der Grenze zur unfreiwilligen Komik.
Anständig werden hingegen die ansprechenden - wenn auch durchwegs konservativ konstruierten - Spannungsmomente an den neuralgischen Punkten des Films installiert: Irina, die die Position des neuen Hausmädchens unter Einsatz rabiater Mittel erlangt, die konsequent auf ihr Ziel hinarbeitet und methodisch mehr und mehr Raum im Adacher-Haushalt - und zugleich im Herzen der Tochter Tea - okkupiert.
Tornatore läßt seine Hauptdarstellerin nie aus den Augen und folgt ihr mit extremen Nahaufnahmen auf Schritt und Tritt. Das Publikum bindet er somit eng an die fragwürdig und brutal agierende Antiheldin. Was immer die Getriebene zu erreichen versucht und egal, mit welch zweifelhaften Praktiken sie auch zu Werke geht - Irinas Suche bleibt spannend.
Nur ein runder Schluß ist dem Werk leider nicht vergönnt. Träge und uninspiriert schleppt sich "Die Unbekannte" über die Ziellinie und hinterläßt einen faden Nachgeschmack. Abseits der soliden Thrill-Routinen mangelt es hier nämlich am entscheidenden Schuß Frische und Originalität. Vor der jüngeren Konkurrenz aus dem Hochspannungssegment muß sich Tornatores Abstecher in fremde Gewässer dennoch nicht verstecken.
Die Unbekannte
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