Video_Nichts als die Wahrheit
So wahr mir Gott helfe ...
Eine renitente Journalistin geht für ihre Überzeugung ins Gefängnis: Regisseur Rod Lurie verschafft der sonst eher dekorativen Kate Beckinsale in diesem Thriller die Möglichkeit zum Schauspiel. Na dann ...
10.02.2010
Zeitungsfrau Rachel Armstrong (Kate Beckinsale) sieht ihre große Chance auf einen Karrieredurchbruch in der Enttarnung der vermuteten CIA-Agentin Erica Van Doren (Vera Farmiga), die in einen aktuellen Politskandal ersten Ranges verwickelt sein soll. Rachel ist sich der Explosivität ihrer Aufdeckerstory zwar bewußt, läßt sich aber - trotz warnender Zurufe ihrer Kollegen von der Capital Sun-Times - nicht davon abbringen, die mutmaßliche Staatsspionin zu kompromittieren. Sie bleibt beharrlich, bekommt die Titelseite - und kurz darauf Besuch vom FBI. Denn wer sich der Enthüllung der Geheimidentität eines Bundesbeamten schuldig macht, kriegt die Macht der Regierungsgewalt zu spüren. Diese wird von Staatsanwalt Patton Dubois (Matt Dillon) repräsentiert, der Rachel die juristischen Daumenschrauben anlegt und ihr mit Beugehaft droht. Doch die Journalistin schützt ihren Informanten und wird interniert.
Berufskodex und moralische Erwägungen prallen in Rod Luries "Nichts als die Wahrheit" auf den durch die allgegenwärtige terroristische Bedrohung aufgeschreckten politischen Machtapparat. Ein David-gegen-Goliath-Scharmützel also, basierend auf der realen Kontroverse um Judith Miller, die einst CIA-Agentin Valerie Plame enttarnte. Die Frontlinien in diesem ungleichen Kampf sind schnell umrissen: Bricht Rachel ein, verstößt sie gegen das ungeschriebene Gesetz, anonyme Quellen jedenfalls zu schützen und beschädigt neben ihrer eigenen Reputation, auch das Renommee der Zeitung. Auf der Gegenseite agiert Staatsanwalt Dubois, mit unumstößlicher Judikatur im Rücken.
Für die Interpretation einer unbeugsamen Reporterin in einer moralischen Zwickmühle, ist der Kreis der üblichen Verdächtigen schnell abgesteckt: Jodie Foster, Angelina Jolie oder Cate Blanchett bieten sich beispielsweise an. Die Wahl von "Underworld"-Star Kate Beckinsale erscheint demnach nicht wirklich naheliegend. Ein genauerer Blick auf Beckinsales jüngste Leinwandeinsätze, offenbart allerdings eine gewisse Weiterentwicklung im Schaffen der Britin: In Scorseses "Aviator" (2004) bediente sie nicht nur den optischen Feinschmecker, sondern setzte in ihrer Rolle als laszive Ava Gardner kleine aber feine darstellerische Akzente. Weiters dokumentieren ihre Parts in dem Ensemble-Drama "Winged Creatures" und der Bestsellerverfilmung "Engel im Schnee" (beide 2008) den Weg in das ernsthaftere Fach.
Auch in "Nichts als die Wahrheit" schauspielert Beckinsale angenehm ausgewogen: Rachel Armstrong durchläuft glaubhaft diverse, relativ klar vorgezeichnete, Gefühlsstadien - der zunächst zielstrebigen, frechen Aufdeckerin wird nach und nach der Boden unter den Füßen weggezogen. Auf eine unilaterale Ein-Frau-Show wird ihr emotionaler und sozialer Abstieg dabei trotzdem nicht reduziert. Denn Matt Dillons "Patton Dubois" ist ein cleverer Schweinehund mit unerschütterlichen Idealen, der ihr mächtig zusetzt. In der Ruhe liegt Dubois´ Kraft: Dillon legt den kühl kalkulierenden staatlichen Cerberus fast schon nonchalant an. Mimische Leckerbissen serviert auch Alan Alda, der den Rechtsbeistand an Armstrongs Seite gibt: Es ist ein Genuß, Alda als dandyhaft verspielten Anwaltsroutinier Alan Burnside in Aktion zu erleben.
Natürlich erfindet auch "Nichts als die Wahrheit" das Rad keineswegs neu. Vielmehr bettet "Contender"-Regisseur Lurie ein tragisches Frauenschicksal souverän in einen moralisierenden Justizthriller ein und liefert schnörkellose Hausmannskost mit spielfreudigem Ensemble. So bleibt die Wahrheitsfindung zumindest in Luries Welt eine spannende Angelegenheit.
Dietmar Wohlfart
Kommentare_