Video_Memories of Murder

Von Morden und Menschen

Koreas erster Serienkiller vergewaltigte und metzelte zwischen 1986 und 1991 zehn Frauen und wurde nie gefaßt. Die Verfilmung der Ermittlungspannen ist spannend und skurril zugleich.    17.01.2005

Korea `86: In einem entlegenen Dorf wird eine junge Frau gefunden: gefesselt, ermordet und ... vergewaltigt.

Dummerweise zählt die örtliche Polizei nicht gerade zu den hellsten Köpfen. Der Polizeichef hat nichts im Griff, der stets überforderte Provinzermittler braucht dringend einen Erfolg und der Hilfssheriff glänzt durch Unbeherrschtheit.

Bereits am ersten Tatort schludert das Trio, bis die Forensik endlich eintrifft, ist längst ein Traktor durch die einzige Spur - einen Fußabdruck - gewalzt.

Macht nichts, denn die Cops machen ihre Beweise notfalls selbst. Da will eine Zeugin gesehen haben, daß der Minderbemittelte des Dorfes dem Opfers schon lange nachgestellt hat. Also wird kurzerhand sein Schuh geklaut, ein frischer Abdruck erzeugt, fotografiert, das Foto mit dem Schuh verglichen (paßt!), der nunmehr beweiskräftig Verdächtige einkassiert - und vom Hilfssheriff so lange weichgeprügelt, bis er die Tat gesteht. Es folgen: Schulterklopfen vom Chef und Posieren für die Presse. Dummerweise gibt es ein Problem: der geistig Behinderte kann sich den Tathergang nämlich leider nicht wie gewünscht merken, egal, wie lange oder schlagkräftig die fleißigen Cops den auch mit ihm durchgehen. Der zweite Mord bestraft schließlich die rückständigen Methoden der Dorfpolizei und Verstärkung aus Seoul muß her.

 

Diese kommt in Form eines jungen, studierten Polizisten, der den Fall mit Köpfchen lösen soll. Schnell präsentiert er die ersten Serienmörder-Fakten: der Killer tötet nur bei Regen, die Damen müssen rot gekleidet sein, außerdem bestellt der Unbekannte im Radio der nächsten Stadt stets denselben Schmachtsong. Aha. Nützt aber auch nichts. Statt dessen gesellen sich zum allgemeinen Chaos auch noch Rivalität und Streit über die richtigen Methoden, während der Mörder natürlich ungeniert weitermetzelt.

Also werden weiterhin neue Verdächtige aufgrund lächerlicher Indizien und immer neuer, blödsinniger Hypothesen zu Geständnissen gezwungen, bis der echte Täter beinahe im Chaos entkommen kann.

Der koreanische Filmemacher Joon-ho Bong liefert mit seinem zweiten Film den sehenswerten Beweis, daß man auch tausendfach abgedrehte Standardstoffe interessant machen kann, ohne gleich das Genre revolutionieren zu müssen. Trotz zwei Stunden Laufzeit offenbart sich die ergreifende Geschichte nicht nur als teuflisch spannend, sondern auch zum Brüllen komisch. Wenn der Dorfkommissar Undercover im Bad eines Klosters ermittelt, weil am Tatort kein Haar zu finden ist - was auf einen rasierten Täter verweisen könnte - ist das nur ein Beispiel von vielen für die fast schon surreale Absurdität der Nachforschungen. Als Zuschauer möchte man sich fast für sein ständiges, vergnügtes Glucksen schämen, wo doch hinter jeder Ecke Schrecknisse wie Mord, Willkür, Brutalität hervorlugen, die von der Militärdiktatur geprägte Grundstimmung schmerzlich spürbar wird und über allem der Schatten ständiger Kriegsvorbereitungen liegt. Muß man aber nicht. "Memories of Murder" liefert großartige Komik, Spannung bis zum Schluß, einen erstklassigen Score, viele schöne Bilder einer idyllischen Dorfumgebung, zahlreiche Drehbuch-Twists und mehr Menschen als im Genre üblich sind. Damit mag die koreanische Filmperle "Sieben" vielleicht nicht vom Thron stoßen ... aber sie sitzt grinsend neben ihr.

Andreas Winterer

Memories of Murder

ØØØØ

(Salinui chueok)


Optimum Home Entertainment (Südkorea 2003)

DVD Region 2 (GB-Import)

ca. 127 Min., koreanische OF mit engl. UT

Regie: Joon-ho Bong

Darsteller: Kang-ho Song, Sang-kyung Kim, Rae-ha Kim u. a.

 

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