Video_Matrix Reloaded
Ladehemmung
Im Sequel zum philosophisch angehauchten SF-Actioner entfesseln die Gebrüder Wachowski ein Effekt-Bombardement, das die fragilen Eckpfeiler der bescheidenen Storyline einreißt.
17.10.2003
Dem zum Cyber-Superhelden aufgestiegenen Matrix-Renegaten Neo (Keanu Reeves) bleiben in "Matrix Reloaded" genau 72 Stunden Zeit, um Zion, den letzten Zufluchtsort der Menschheit, vor der Invasion einer gewaltigen Maschinenarmee zu bewahren. Begleitet von Förderer Morpheus (Lawrence Fishburne) und Mannweib Trinity (Carrie-Anne Moss), dringt der - neuerdings von unheilvollen Visionen geplagte - "Auserwählte" in die bedrohlichsten Untiefen der Matrix vor.
Der storytechnisch überraschend einfallslos und teils konfus geratene Nachfolger enthält unter anderem den verkrampft-emotionslosen Ausbau der Liaison zwischen Neo und Trinity (Carrie-Anne Moss degeneriert hier in Gegenwart von Neuzugang Monica Bellucci förmlich zum geschlechtslosen Wesen), die Erweiterung des bereits installierten Feindspektrums durch einen frankophilen Exzentriker (Lambert Wilson) und dessen trickreiche Killerbrigade, sowie einen obskuren Diskurs über die wahre Natur der Matrix. Obendrein unternimmt Neos gefürchtete Nemesis, der ehemalige Matrix-Hüter und nunmehr auf eigene Faust operierende Agent Smith (Hugo Weaving) einen buchstäblichen Großangriff auf den verhaßten Erzfeind...
Nicht enden wollende pseudoreligiöse Ausführungen von Dauerprediger Morpheus und das einschläfernde Senatsgebrabbel seiner politischen Amtsbrüder sind die ärgerlichen Begleiterscheinungen der ohnehin recht dünnen, teils plump daherkommenden Alibi-Story. Die dunkle, rätselhafte Matrix, jene durch Menschenhand verschuldete, toxische Endzeitvision, ist nunmehr Geschichte. Die neueste Inkarnation wurde entschärft und geglättet, dient in erster Linie als hippe Spielwiese für die Einbettung modernster Tricktechniken.
Für kreative Entwicklungsarbeit oder darstellerische Glanzpunkte bleibt da freilich wenig Spielraum. Die Hauptcharaktere, eine Ansammlung sprechender Hochglanzabziehbildchen, könnten ohne weiteres den Laboratorien jenes Effektzaubererkonglomerats, das für diesen Animations-Overkill verantwortlich zu machen ist, entsprungen sein. Unser Held ist jetzt ein übermächtiger Halbgott, der dank phantastischer Nehmerqualitäten imstande ist, auch größere Zusammenrottungen mehr oder weniger gewiefter Gegnerscharen auszuschalten. Ein lakonischer Keanu Reeves versinkt zunehmend in Apathie; die Effektabteilung erledigt den Rest.
Und in der Tat: "Matrix Reloaded" bietet Niveauverlust zum Staunen: Die digital manipulierten, blitzschnell choreographierten Fernostkeilereien und bombastischen Stunt-Orgien unterschiedlichster Fahrzeuggattungen verschmelzen zu einer eindrucksvollen, unterhaltsamen, aber auch auslaugenden Achterbahnfahrt.
Entmystifiziert und sporadisch absturzgefährdet, bleibt die Matrix-Version 2.0 alles in allem nur bedingt funktionstüchtig.
Dietmar Wohlfart
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