Video_Lichter der Vorstadt
Vive la tristesse
Der Abschluß von Kaurismäkis "Trilogie der Verlierer" widmet sich auf konsequente Weise dem Thema Einsamkeit. Berühren kann der Film jedoch nicht.
11.10.2007
Koistinen (Janne Hyytiäinen) ist ein zutiefst einsamer Mensch. Er arbeitet seit Jahren als Wachmann in einer Shopping-Mall und dreht dort allein seine Runden. Er träumt von einer eigenen Firma, die er mit Kollegen zusammen aufziehen will - doch die wollen nach Feierabend nicht einmal ein Bier mit ihm trinken. So drückt er sich nachts in Bars herum und versucht, Frauen kennenzulernen - ebenfalls vergeblich.
Eines Nachts wird der Gangster Lindholm (Ilkka Koivula) auf den Bilderbuch-Loser aufmerksam. Er setzt die attraktive Mirja (Maria Järvenhelmi) auf ihn an, die Koistinen erst Zuneigung vorheuchelt und ihn dann gnadenlos für ihre Zwecke ausnützt. Lindholm plant einen Einbruch in das Juweliergeschäft des Einkaufszentrums. Und so spioniert Mirja zunächst die Zugangscodes für das Einkaufszentrum aus und stibitzt Koistinen schließlich seinen Schlüsselbund. Nach dem gelungenem Juwelenraub deponiert sie sogar noch hinter seinem Rücken einen Teil der Beute in seiner Wohnung, damit er auch ganz sicher verhaftet wird. Koistinen landet im Knast und kann seine Träume somit endgültig begraben.
Eine bittere Geschichte ist es, die Kaurismäki hier erzählt, keine Frage. In "Wolken ziehen vorüber", dem ersten Teil seiner von ihm selbst so benannten "Trilogie der Verlierer", ging es um den Verlust des Jobs, in "Mann ohne Vergangenheit" um Obdachlosigkeit, und in "Lichter der Vorstadt" nun wird einem isolierten Menschen, der sowieso kaum etwas im Leben hat, noch der letzte Rest genommen: seine Freiheit und seine bescheidenen Träume von ein wenig Wohlstand und Liebe.
Mitleid kommt beim Zuschauer trotzdem nicht auf. Zu starr und phlegmatisch wandelt Koistinen durch sein Leben, zu stoisch nimmt er alle Schicksalsschläge hin. Auch als er merkt, daß Mirja ihn lediglich ausnützt, bleibt er passiv. Seine Loyalität ihr gegenüber (er verrät sie und ihre Komplizen nicht einmal an die Polizei, als es ihm selbst unschuldigerweise an den Kragen geht) ruft keine Achtung hervor, sondern nur resigniertes Achselzucken. Der Betrachter des bösen Treibens ist sogar versucht, Lindholm recht zu geben, der Koistinen als "loyalen Hund" regelrecht verhöhnt.
Ohnehin gibt es im ganzen Film keinen einzigen runden Charakter, der wirklich menschlich erscheint. Alle Beteiligten sind eindimensional angelegt und entwickeln sich in keiner Weise weiter, allen voran Mirja als abgrundtief kalte und gleichgültige Femme fatale. Hübsch anzusehen sind die stilisierten Kulissen, eine bunte Kunstwelt im 50er-Jahre-Stil. Gerade diese konterkarieren aber wiederum das von der Handlung suggerierte Gefühl der Trostlosigkeit und nehmen dem Geschehen jede Wucht. Wie so oft bei Kaurismäki gibt es kaum Dialoge, stattdessen wird viel getrunken und geraucht. Der Zuschauer scheint angehalten, zwischen den Zeilen zu lesen. Doch schnell beschleicht einen der Eindruck, daß auch dort nicht viel zu finden ist.
Ist dies nun eine besonders konsequente Darstellung, im Sinne von: Einsame, frustrierte Menschen berühren auch in der Realität selten wirklich, sondern erscheinen schlicht langweilig? Oder ist es bei allem Respekt für den verdienten Regisseur ("I Hired a Contract Killer") nicht doch einfach nur ein gescheiterter Versuch, einen finnischen Film noir zu drehen? So oder so bleibt nach Betrachten des Werks lediglich Gleichgültigkeit und Leere.
Anne Herskind
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