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Auf den Hund gekommen
Er sei des Menschen bester Freund, heißt es - und nimmt man dem Menschen den Freund, so endet das unter Umständen blutig. In in der Verfilmung der gleichnamigen Jack-Ketchum-Novelle kommen Tierquäler jedenfalls nicht nur mit einem blauen Auge davon ...
03.11.2008
Nur ein wenig Beschaulichkeit, zumindest zeitweise - das ist alles, was sich Avery Ludlow (Brian Cox), 61 und Witwer, vom Leben noch erwartet. Sein Kleinstadt-Gemischtwarenladen hält ihn über Wasser, seine Freizeit verbringt er am liebsten mit dem Fischen und mit seinem Hund Red. Seine Frau ist vor Jahren bei einem Brand ums Leben gekommen, und er selbst wird regelmäßig von den Erinnerungen daran heimgesucht. Doch eines Tages zerbirst die mühsam aufgebaute Schein-Idylle, als drei junge Tunichtgute (zwei davon Brüder aus "gutem" Hause, der dritte ein White-Trash-Trittbrettfahrer) in sein Leben treten und ihr Rädelsführer, Danny (Noel Fisher), aus purer Bosheit Averys Hund Red erschießt. Fassungslos bleibt der alte Mann zurück. Er konfrontiert den Vater des Schützen (Tom Sizemore) mit der Tat und erwartet auf diese Weise ein wenig Genugtuung. Doch der Provinzkaiser stellt sich erwartungsgemäß hinter seinen Sohn, als ihm das mißratene Früchtchen den Ahnungslosen vorspielt. Dabei will Ludlow von Danny nichts anderes als die Wahrheit.
Auch sein Anwalt rät ihm davon ab, sich weiter in die Sache zu vertiefen - und so informiert Ludlow eine kleine lokale TV-Station, die sich der Sache tatsächlich annimmt. Danny und sein Vater sind nicht bereit, derlei hinzunehmen: Eine Spirale aus Beleidigungen, Einschüchterungen und letztendlich Gewalt setzt sich in Bewegung, die keine Gewinner, sondern nur Verlierer kennt ...
Jack Ketchums Romanvorlage "Red" beruht auf einer wahren Begebenheit. Die Verfilmung ist der Vorlage sehr nahe und setzt die von Ketchum geschaffene Atmosphäre, das gemächliche Erzähltempo und die darin umso eruptiver wirkenden Gewaltexzesse geschickt um. Eine mitunter pastoral anmutende Grundstimmung, die bisweilen kammerspielartige Inszenierung (die - allerdings selten - etwas an "Das kleine Fernsehspiel" erinnert), dazu der zwischen Americana und orchestralen Klangteppichen pendelnde Soundtrack von Soren Hyldgaard - all das bietet eine gute Voraussetzung für einen Showdown, der sich gewaschen hat. Daß dabei ein paar wenige Handlungsnebenstränge der Vorlage auf der Strecke bleiben, mag jenen auffallen, die das Buch gelesen haben, ist aber bei Romanverfilmungen nie ganz zu verhindern. (So steht Ludlows Feuer-Trauma in keinerlei Beziehung zum Rest des Films; eine zart keimende Liebesgeschichte zwischen dem alten Mann und einer jungen Journalistin bleibt gerade einmal angedeutet.) Den Regisseurwechsel von Lucky McKee zu Trygve Allister Diesen hat der Film übrigens unbeschadet (und im Grunde unbemerkt) überstanden.
Brian Cox erhielt beim Phantastik- und Horrorfilmfestival im spanischen Sitges 2008 für seine Darstellung des Avery Ludlow die Auszeichnung der Jury als "Best Actor". Ein wunderbares Support-Ensemble (Amanda Plummer, Robert Englund, die immer wieder faszinierende Ashley Lawrence und - nicht zu vergessen - Jack Ketchum selbst in einem Cameo-Auftritt) sowie Tom Sizemore als Patriarch, Emporkömmling und Gegenspieler bieten Cox ein adäquates Umfeld.
Kurzum: Wer einer sich langsam aufbauenden und dann umso heftiger ausfallenden Rache-Story, angesiedelt "in einer kleinen Stadt", nicht abgeneigt ist, vielleicht auch Ketchums Vorlage mochte und "altmodisches" Schauspielerkino schätzt, ist bei "Red" gut aufgehoben. Daß es hierzulande bei einer DVD-Veröffentlichung bleiben wird, ist anzunehmen, aber vielleicht hat Magnolia Pictures nach der Preisverleihung und dem Festival-Erfolg doch ein Einsehen und bringt den Film dorthin, wo er (nicht nur wegen seiner betörenden Landschaftsaufnahmen) hingehört: ins Kino.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Nicht nur im Film.
Thomas Fröhlich
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