Video_John Rambo
There will be blood ...
... und zwar ohne Ende. Während es sich beim Titel des Andersonschen Ölfilms jedoch eher um eine leere Drohung handelt, fliegen in der neuen "Dschungelbuch"-Adaption à la Stallone gehörig die Fetzen.
02.09.2008
"Lebe für nichts oder stirb für etwas" - eine Botschaft, wie sie nur John Rambo an den Mann bringen kann: minimalistisch, fatalistisch und wahr. Das ist sie zumindest für jeden abgestumpften Vietnamveteranen, der mit 62 Jahren - Stallone wurde 1946 geboren - im thailändischen Dschungel Schlangen fängt. Er ist ein wegen seiner traumatischen Kriegserlebnisse äußerst wortkarger Mann, dem das Töten im Blut liegt, aber das Sterben bisher versagt blieb.
Zur Handlung: Eine Missionarstruppe heuert die Einmann-Kampfmaschine als Bootsmann an, um Lebensmittel und Arzneien nach Burma zu bringen. Nach etlichen Überzeugungsversuchen durch die aparte Sarah (Julie Benz) nimmt Rambo die Buchung für den Trip zur Höllendestination schließlich entgegen - selbstverständlich nicht ohne vorher allen Mitreisenden mürrisch sein Credo aufzuhalsen: "Ihr könnt die Welt nicht ändern."
Soweit möchten die angereisten Gutmenschen aber gar nicht gehen. Sie wollen sich lediglich um die Armen, die Geschändeten und die Kranken kümmern. Und was kümmert´s den kaputten Rambo? Nix. Der alte Herr ist emotional so ausgebrannt wie die Dörfer der Birmanen. Wenn man für eine schöne Frau wie Sarah den Gondoliere ins Verderben spielt, könnten doch wenigstens ein paar Erinnerungen an ein "normales" menschliches Seelenleben aufflackern ... Doch Rambo steht längst über solchen Gedankengängen. Trotzdem läßt er sich erweichen, vielleicht auch nur, weil ihm einfach fad ist. Was in Rambo vorgeht, weiß nur Rambo. Und das ist gut so.
Die erste Ernüchterung für die Weltverbesserer kommt schnell, da nicht jede Seefahrt lustig ist: Auf halber Strecke wollen ein paar dreckige Piraten den Kahn überfallen und die Frau schänden. Natürlich bläst Rambo den bösen Buben routiniert das Hirn weg und setzt sich wieder stoisch an den Steuerknüppel, um die schockierten Helfer am Zielort abzusetzen.
Kaum wieder daheim und bereit, ein paar Blindschleichen die Haut abzuziehen, erreicht ihn die wenig überraschende Nachricht, daß die Missionare ihre Nasen zu weit in den Dschungel gesteckt haben und nun Gefahr laufen, dieselben zu verlieren - oder noch wesentlich wichtigere Körperteile. Sie sind burmesischen Soldaten in die Falle gegangen, und die sind nicht gerade für ihren humanen Strafvollzug bekannt ...
Anscheinend ist es für Rambo wieder an der Zeit, ein Messer zu schmieden und zu wetzen. Im glühenden Schein von Hammer und Amboß darf der Zuschauer die glänzenden Muskeln Johns bestaunen und einem wunderlichen inneren Monolog lauschen: "Du hast nicht für dein Land getötet. Du hast für dich selbst getötet, denn Töten liegt dir im Blut."
Und dann wird´s heftig: John und ein paar andere Söldner machen sich auf, die Ärzte mit Grenzen zu befreien. Die Deppen glauben, daß sie John schon nicht brauchen werden, und lassen ihn daher nach der Überfahrt auf dem Boot zurück. Macht nichts, Rambo kommt auch allein zurecht. Er folgt den Maulhelden durch den Dschungel, wo bald die Haut- und Fleischfetzen fliegen. Rambo entfernt Kehlköpfe mit der bloßen Hand, schießt mit dem MG aus zehn Zentimetern Entfernung auf böse Burmesen und kreiert Rorschach-Muster aus Eingeweiden.
Am Schluß steht er nach einem orgiastischen Gemetzel in sicherer Entfernung und winkt mit leerem Blick zum Abschied. Frei nach dem Motto: " Ich hab´s dir ja gesagt, es ist alles sinnlos."
Vor 26 Jahren spielte Sylvester Stallone zum ersten Mal den aus dem Vietnamkrieg heimgekehrten Rambo, dem ein fieser Kleinstadt-Sheriff das Leben zur Hölle machen wollte. Damals setzte sich der Krieger in den Wald ab und lebte seine Psychose aus, indem er seine Fähigkeiten gegen die eigenen Leute einsetzte.
In der Romanvorlage "First Blood" von David Morrell stirbt der einstige Held und nunmalige Verlierer - ebenso wie die halbe Stadt. Gegen dieses Ende hatte Stallone für die Filmvariante jedoch Einwände, setzte das Überleben der Figur durch und bescherte dem Action-Kino somit drei Fortsetzungen und eine Menschmaschine, die eigentlich von der amerikanischen Regierung in einem goldenen Käfig gehalten werden müßte, da sie jeden Konflikt ohne diplomatisches Geschwätz löst.
Rambo steht an der Spitze der Nahrungskette. Nichts berührt ihn, nichts betrifft ihn, nichts tötet ihn. Dies ist ein ziemlich trauriges Paradoxon, da es am Gipfel einsam ist und unser Held einfach nicht sterben darf. Zum Glück - einen fünften Rambo halten wir auf alle Fälle aus, selbst wenn Stallone dann schon achtzig sein sein und im Geländerollstuhl die Bösewichte aus dem Weg räumen wird. Anschauen kann man sich sowas auf jeden Fall. Und immer.
Nikolaus Triantafyllidis
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