Ein Raubüberfall kippt einen gleichmütigen Barkeeper aus seiner Alltagsroutine. In Michael R. Roskams klugem Gangsterdrama "The Drop" flankiert ein chamäleonartiger Tom Hardy den früh verstorbenen James Gandolfini.
17.04.2015
Bob Saginowski (Tom Hardy) arbeitet als Barmann in einer kleinen Kneipe im Herzen Brooklyns. Einst wurde das Lokal von Bobs Cousin Marv (James Gandolfini) geführt, der es notgedrungen an die tschetschenische Mafia abtreten mußte. Seither stehen die beiden in Diensten des Ost-Syndikats. Als die Bar von zwei maskierten Räubern überfallen wird, geraten Bob und Marv unter Druck, da die Tschetschenen das erbeutete Geld - das von den Gangstern hier zwischengelagert wurde - von ihren Angestellten zurückfordern. Etwa zur selben Zeit meldet der Kleinganove Eric Deeds (Matthias Schoenaerts) Besitzansprüche bei Bob an: Ein von Saginowski aufgelesener, liebgewonnener und auf den Namen "Rocco" getaufter Pitbull soll dem vermeintlichen Eigentümer Deeds entlaufen sein, der nun damit droht, Anzeige zu erstatten oder dem Jungtier gar etwas anzutun. Während die Mafia Bob und Marv die Daumenschrauben anlegt und Deeds zu einer unberechenbaren Gefahr anwächst, eröffnen sich für den stillen Schankwirt unerwartete Möglichkeiten bei Nachbarin Nadia (Noomi Rapace) ...
Der auf einer Kurzgeschichte von "Mystic River"-Autor Dennis Lehane (er adaptierte dafür seine Story "Animal Rescue) basierende Film "The Drop" von Michael R. Roskam ist ein eisiger Ort der langsam anschwellenden Bedrohungen. Das Kälteloch Brooklyn erstarrt dabei in tristen Grautönen, aus denen das Arbeitervolk nach Schichtende hervorkommt, um sich in Marvs Bar erneut zu begegnen. Griesgram Marv, der den Verlust seiner Bar an die Mafia nie verkraftet hat, gibt darin den mürrischen Stimmungstöter, während sich Bob in stummer Aufrichtigkeit dem Tagesgeschäft widmet.
Wie sich Ruhepol Bob Saginowski mit den in Bewegung befindlichen Grenzen seiner kleinen Welt arrangiert, ist der zentrale und faszinierendste Aspekt von "The Drop". Bob agiert bedachtsam, beobachtet und scannt die Entwicklungen um ihn herum, ohne unüberlegt zu handeln. So wird der etwas tapsig wirkende Unterschichtler Saginowski zu einem passiven, schwer zuzuordnenden Zeitgenossen. Tom Hardy, eine der darstellerische Kapazitäten seiner Generation ("Inception", "Warrior", "No Turning Back"), gibt dem vermeintlichen Simpel ein Gesicht und demonstriert dabei eine extreme Wandlungsfähigkeit, die Rätsel aufgeben kann. Dies insbesondere dann, wenn man Hardys zurückgenommene Darbietung mit seiner wellenschlagenden Brachial-Performance als einschüchternder Superbösewicht Bane ("The Dark Knight Rises") in Einklang bringen will. Wie bereits in seinem Erstling "Bullhead" konzentriert sich der Belgier Michael R. Roskam auf einen Antihelden im weitesten Sinne. So existiert der einsilbige Saginowski losgelöst in einem grauschattierten Zwischenuniversum mit nur wenigen Bezugspunkten zur dunkel pulsierenden Mitwelt.
Im Gegensatz dazu schlüpft der 2013 verstorbene James "Tony Soprano" Gandolfini zum letzten Mal in einen rollentechnischen Maßanzug: Er muß sich keineswegs neu erfinden, um den miesepetrigen Marv in all seiner Zwielichtigkeit zu interpretieren. Nach zuletzt starken Leinwandauftritten ("Killing Them Softly", "Genug gesagt") ist sein viel zu früher Abschied immerhin auch ein gelungener.
"The Drop" untergräbt die Erwartungshaltung seines Publikums. Mit Thrill und Spektakel kann und will Roskams Krimidrama nicht aufwarten. Vielmehr wächst etwas in der kalten Dunkelheit von "The Drop" heran, um dann wie ein Raubtier aus dem Dickicht hervorzubrechen.
103 Min. + Zusatzmaterial dt. Fassung oder engl. OF
Features: Von der Kurzgeschichte zum Kinofilm, Hinter den Kulissen des Films, Schauplatz Brooklyn, Die Hunde im Film, James Gandolfini spielt "Marv", Audiokommentar, Bildergalerie, Trailer
Regie: Michael R. Roskam
Darsteller: Tom Hardy, James Gandolfini, Noomi Rapace u. a.
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