Video_Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Vergiß die Peitsche nicht
"Mit 66 Jahren fängt das Leben erst an" trällerte einst der österreichische Schlagerkönig Udo Jürgens. Ob dem wirklich so ist, das fragen Sie am besten Harrison Ford: Für den Indy-Darsteller bleiben die Pforten des Seniorenheims definitiv noch ein paar Jahre geschlossen - verdienterweise, wie man seit kurzem auf DVD nachprüfen kann.
06.11.2008
Im Zuge der Reaktivierung pensionierter Helden durften wir bisher der Wiederauferstehung Rambos, Rockys und John McClanes beiwohnen. Während sich Sylvester Stallone dank heftiger Nostalgiespritzen und oft wiederholter Zielübungen zumindest angemessen schlagen konnte, entpuppte sich "Live Free or Die Hard" im Vergleich bestenfalls als kurzweilige Nichtigkeit. Doch jetzt - nach beinahe 20jähriger Pause - ist endlich auch Dr. Jones wieder da.
Im vierten Indiana-Jones-Abenteuer verschlägt es den Mann mit der Peitsche nach Südamerika, wo er für böses Kommunistenpack das Rätsel eines geheimnisvollen Kristallschädels lösen soll, damit seine Jugendliebe Marion Ravenwood und deren Sohn nicht eliminiert werden ...
Der Jäger verlorener Schätze zählt seit 1981 zu den bedeutendsten Leinwandfiguren Hollywoods, ist neben Han Solo Harrison Fords Paraderolle und steht gleichzeitig als Synonym für das filmische Schaffen des Duos Spielberg/Lucas. Indy brachte den Charme alter Serials und Pulps der 30er und 40er Jahre wieder ins Kino - und Millionen von Kindern dazu, Archäologie als aufregenden Beruf anzusehen.
Seit seinem bisher letzten Abenteuer, "Indiana Jones and the Last Crusade" (1989), verlangten die Fans nach einer Fortsetzung - und auch in Interviews mit Steven Spielberg, George Lucas und Harrison Ford wurde das Thema immer wieder angeschnitten. Um die Jahrtausendwende begann sich das Trio dann tatsächlich mit dem Gedanken an ein Sequel auseinanderzusetzen; Jahre später einigte man sich nach zahlreichen Drehbuchentwürfen schließlich auf ein Skript des Autors David Koepp.
Statt Daddy Connery steht diesmal Shia LaBeouf unserem guten alten Indy zur Seite, und anstelle schicker Trash-Nazis bieten die Filmemacher als Gegenspielerin das fescheste Mütterchen Rußlands seit langem: Cate Blanchett. Für die musikalische Untermalung zeichnet wie gewohnt Maestro John Williams verantwortlich. Das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen gab es dann im Mai dieses Jahres in den Kinos zu sehen; die Fans waren - wie bei Franchises dieser Größenordnung üblich - natürlich geteilter Meinung.
Dabei schließt "Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull" fast nahtlos an seine Vorgänger an und bietet trotz offensichtlichen Drehbuchkalküls alles, was man sich von einem waschechten Abenteuerstreifen erwartet: finstere Urwaldeinwohner, Katakomben, Geheimgänge, Wasserfälle, komplizierte Schlüsselmechanismen, Schlangen - oder wie es Dr. Jones höchstpersönlich kurz zusammenfaßt: "Same old, same old."
Ob einem das gefällt, stellt sich spätestens nach den ersten Filmszenen heraus. Wenn die Handlung der Saga per Hot-Rod-Rennen ins Rock´n´Roll-Zeitalter verlegt wird, Indy in einer Atombombenteststadt* landet (und damit die Phrase "Nuking the Fridge" ins filmische Vokabular eingeführt wird), es einen Seitenhieb auf die McCarthy-Ära gibt oder LaBeouf im Marlon-Brando-Look auftritt: Der Zuseher ist entweder sofort an Bord - oder gar nicht.
Natürlich gäbe es für Erbsenzähler auch hier einige Kritikpunkte anzuführen, wie die Handlung nach Rezept, die Verharmlosung von Nuklearwaffen, die Darstellung russischer Bösewichte und den einen oder anderen hatscherten visuellen Effekt, aber ganz ehrlich: Who gives a shit?
Selbst mit 66 Jahren läßt Ford seine Abenteuerkollegen Angelina Jolie und Brandon Fraser alt aussehen. Und Steven Spielberg hat endlich wieder einen echten "Spielberg-Film" gedreht, der an längst vergangene Zeiten erinnert.
Kollege Marcus Wessel meinte in seiner Kinobesprechung: "Die Welt von heute braucht andere Helden und andere Geschichten." Nun, die Welt von heute braucht bestimmt eine ganze Menge. Ein neuer "Indiana Jones" ist jedoch nie verkehrt - und Indy bestimmt noch kein Fall für die Geriatrie.
In diesem Sinne: Spiel´s nochmal, John!
PS: Wen wir auch noch gern wieder einmal im Kino sehen würden: Tarzan, The Phantom, Doc Savage und The Shadow.
Jürgen Fichtinger
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