Video_Harsh Times - Leben am Limit

Außer Kontrolle

Ein Großstadtpsycho, der das Gesetz in die eigene Hand nimmt? Kennt man von irgendwo. Um offensichtlichen Vorbildern wie "Taxi Driver" gerecht zu werden, ist David Ayers Regiedebüt aber leider zu oberflächlich geraten. Da kann auch ein wie immer beherzt aufspielender Christian Bale nicht mehr viel retten.    23.07.2007

Der ehemalige Golfkriegssoldat Jim Davis (Christian Bale) jagt erfolglos einem angestrebten Posten im Los Angeles Police Department hinterher. Der Irak-Einsatz hat allerdings mehr als deutliche Spuren in seiner Psyche hinterlassen: Er wird von wiederkehrenden Alpträumen - grausamen Echos aus Kriegstagen - geplagt.

Untertags unternimmt Jim gefährliche Streifzüge mit seinem Kumpel Mike Alonzo (Freddy Rodriguez). Beide sind den Drogen zugetan und offen für jede Gaunerei, wobei Jim gelegentlich manipulierend auf seinen willensschwachen Freund einwirkt und diesen - vermeintlich spaßeshalber - in die nächste Straftat treibt. Mikes Bemühungen, sich zusammen mit Freundin Sylvia (Eva Longoria) eine geordnete Existenz aufzubauen, werden von Jim ein ums andere Mal unterlaufen. Dabei erwägt dieser aber selbst ernsthaft, seine mexikanische Freundin Marta (Tammy Trull) zu ehelichen.

Nach dem geplatzten LAPD-Traum erhält Davis unverhofft das Angebot, als staatlich sanktionierter Spezialist fürs Grobe in Südamerika aktiv zu werden. Es ist die große Chance für den seelisch lädierten Ex-Ranger - und der Ausgangspunkt für seine größte Krise.

Filmemacher David Ayer fischt thematisch in vertrauten Gewässern, fungierte er doch auch bislang schon als Drehbuchlieferant für Action-geladene Großstadt-Thriller - so stammten etwa die Scripts zu "Dark Blue" und "Training Day" aus seiner Feder. In seinem Regiedebüt "Harsh Times" widmet er seine ganze Aufmerksamkeit einem Pseudo-Gesetzeshüter, dessen geistige Verfassung hinterfragt werden muß: Mit dem Ballast des in der Golfregion Durchlebten hetzt Jim Davis im Grenzgebiet zwischen Kalifornien und Mexiko umher. Es ist eine Flucht vor der Erinnerung an die Massaker des Krieges, eine Suche nach Halt im moralischen Grenzland des Großstadtdschungels.

Christian Bale spielt als Getriebener, dessen innerer Kompaß in den Kriegswirren zerschellt ist, seine bekannten Stärken aus. Bale ist ein Spezialist für Zwiespältiges, glänzte bereits als schmieriger Yuppie-Killer in "American Psycho", verstörte als physisch und psychisch ausgezehrter "Machinist" in einem trügerischen Film-Psychogramm und stellte sich in "Batman Begins" den unverarbeiteten Kindheitsschrecken des Dark Knight. In "Harsh Times" erleben wir Bale als von Dämonen geplagten Kriegsgeschädigten, als undisziplinierten Spaßvogel, aber auch als wie aus dem Ei gepellten, flegelhaften Kotzbrocken.

Doch in Extremsituationen treten die gefährlichsten Persönlichkeitszüge seines Charakters hervor; dann offenbart sich Davis als wandelnde Zeitbombe. Ein Teil von ihm sehnt sich nach Geborgenheit, denkt an den Totalausstieg in ein zivilisationsfernes mexikanisches Dorf - und an Marta, seine unkomplizierte Unschuld vom Lande. Doch immer wieder bricht seine dunkle Seite durch. Dann verwandelt sich Jim reflexartig in eine abgestumpfte Kampfmaschine, einen menschgewordenen Kriegsapparat, der von Tod und Zerstörung angetrieben wird.

Obwohl Christian Bale den Film entscheidend zu prägen vermag, krankt der Action-Thriller daran, daß David Ayer es unterläßt, die mentale Spaltung des Jim Davis wirksam einzuleiten. Natürlich greift er in einer kurzen, prologartigen Traumsequenz auf die typischen Nachtsichtschnipsel aus dem Kriegsgebiet zurück, die Jim bei der blutigen Arbeit im Tarnanzug zeigen. Tiefere Einblicke in die Vergangenheit und das kaputte Seelenleben des Protagonisten werden uns jedoch verwehrt. Was bleibt, ist ein grundsolides Machwerk - auch visuell an "Training Day" und "Dark Blue" angelehnt -, das durchaus Spannungsmomente hervorbringt, aber jederzeit oberflächlich und vorhersehbar bleibt.

Dietmar Wohlfart