Video_Suppeneinlage

Der männliche Kochinfarkt

In seinem Kabarettprogramm begibt sich Gerhard Gutenbrunner auf eine Tour de Force durch die Ernährungslehren der Welt. Seit kurzem kocht er sein Süppchen auch auf DVD.    29.06.2009

Ein Kind von Traurigkeit ist er mit hochgradiger Sicherheit nicht - auch wenn er manchmal den Eindruck erweckt, er trüge die Sorgen der ganzen Welt wie einst Atlas auf seinen Schultern. Aber so sind Yoga-Leher und Heilmasseure eben, die nebenbei noch als Kabarettisten die Welt betrachten. Wenn Gerhard Gutenbrunner nicht gerade mit wichtigen Verrichtungen des Alltags beschäftigt ist, erforscht er in einem der Lokale im Wiener Mollard-Dorf gern die Geheimnisse des Lebens (vorzugsweise in einem schlicht und ergreifend "Espresso" genannten Espresso in der Mollardgasse 26, oder beim "Tschani" in der Marchettigasse). Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht: Was dort gelegentlich passiert, böte Stoff für noch viel mehr als Gutenbrunners beide Programme "Essenzen" und "Suppeneinlage". Letzteres ist übrigens gerade auf DVD erschienen.

Zwar ist der berufliche Lebenslauf von Gutenbrunner nicht ganz so bewegt wie der von Charles Bukowski (zumindest wurde er noch nie dabei erwischt, wie er Einschreibebriefe aus einer Ledertasche im Wienfluß entsorgte, um schneller im "Espresso" genannten Espresso nach dem rechten zu sehen). Allerdings dürfte der Mann viel herumgekommen sein und etliche Abenteuer mit jener Hälfte der Menschheit, die sich seltener im Gesicht rasieren muß, erlebt haben. Das spiegelt sich auch in seinen Programmen wieder, und ein Grundmotiv ist offenbar das Verlassenwerden - eine Zeit, in der Männer ihre Ernährungsgewohnheiten gerne auf Alkoholdiäten umstellen. Nicht so Gutenbrunner, behauptet er und hat mit der "Suppeneinlage" eine Art Querfeldeinlauf durch die Küchen und Ernährungslehren der Welt auf die Beine gestellt.

Die DVD der "Suppeneinlage" hat gegenüber dem sehenswerten Live-Programm (genaue Spieldaten finden Sie auf der Gutenbrunners Homepage) nur einen - für manche essentiellen - Nachteil: Während auf der Bühne während des Programms tatsächlich eine Suppe gekocht wird, die dann an das Publikum verteilt wird, das am schnellsten über den Suppentopf herfällt, muß man sich beim Betrachten der DVD selbst in die Küche stellen, um am Ende auch ein bißchen Gaumenfreude zu erleben. Dafür haben Sie aber wiederum den Vorteil, sich am Ende der DVD nicht um den letzten Teller prügeln zu müssen (abhängig von der Familiengröße). Das Rezept verrät Gutenbrunner allerdings nicht: In die Suppe kommt, was auf dem Gemüsetisch liegt, bis hin zu Pflanzen, die von der Wissenschaft noch gar nicht entdeckt wurden.

Die "Suppeneinlage"-DVD hat eine recht bewegte Geschichte. Sie wurde professionell produziert, weil der ORF anfangs Interesse für eine Ausstrahlung im Rahmen der Donnerstagnacht zeigte, doch dann winkte der Staatsfunk im letzten Moment doch wieder ab (was bei genauer Betrachtung nicht verwundert: Wer Brüller wie "Mitten im 8." produziert, hält die "Suppeneinlage" wahrscheinlich für eine Wittgenstein-Dokumentation). Auch ATV, das seinen Sehern schon zu Uhrzeiten, in denen noch nicht einmal der Wecker geläutet hat, per Teleshopping das Geld aus der Tasche ziehen will, zeigte sich letztlich nicht interessiert (wahrscheinlich, weil überall das Kontingent an Kochsendungen bereits ausgebucht ist).

Das alles sollte aber kein Hindernis für den Endverbraucher sein, die "Suppeneinlage" zu kosten. Sollten Sie daraufhin plötzlich magensäuerliche Nachdenklichkeit verspüren, dann liegt das sicher an schwerwiegenden Themen wie: Was wir so in uns reinstopfen, wenn der Tag lang ist; wie uns psychologisch interessante Ernährungslehren langsam in Aliens verwandeln; oder warum Männer auf Schweinsbraten stehen, solange sie das Vieh nicht selbst erlegen müssen ...

Worum geht es nun in diesem Programm, außer um die hohe Kunst, sich keine Finger abzuschneiden? In der Rolle des von seiner Frau verlassenen Ernst Hunger kommt Gutenbrunner zum Schluß, daß er sich von nun an mangels Ehekraft selbst um seine Ernährung kümmern muß. Also versucht er sich an die Rezepte zu erinnern, nach denen seine Frau vorgegangen ist, und auch daran, was sie ihm über Ernährung im allgemeinen erzählt hat. Dabei versucht er auch noch, sich an die Anfänge zu erinnern, als er mit viel zu hohem Blutdruck und Übergewicht eine Art Schnitzelentwöhnungsphase durchmachen mußte.

Gerhard Gutenbrunnter listet dabei alle Diät- und Ernährungslehren der vergangenen 20 Jahre auf und beschreibt liebevoll die vielen kleinen Hoppalas auf dem steilen Weg zu Gesundheit und Idealgewicht. Das Vegetariertum, Ayurveda, die Lehre der 5 Elemente, die Blutgruppendiät und die Nahrungsergänzungsmittel werden zu einer gehaltvollen "Suppe" verkocht und pointiert serviert (auf dem untenstehenden Bild ist übrigens nicht die Suppe zu sehen, sondern eine Portion Hirn mit Ei von Gutenbrunners letztem Kritiker).

Von mir aus können Sie essen, was Sie wollen; wenn Sie darauf stehen, auch Hunde- oder Katzenfutter oder die bei Survival-Trainings so beliebten Regenwürmer. Allerdings werden Sie am Ende der "Suppeneinlage" vielleicht ein bißchen nachdenklich über unser tägliches Junk-Food sein, das McDonalds uns doch bitte gebe ... Gerhard Gutenbrunner sitzt einstweilen immer noch im "Espresso" genannten Espresso und wirkt ein bißchen so, als hätte ihm Atlas das Gewicht der Welt von den Schultern genommen. Privatleben nennt man das - und das haben gelegentlich auch Kabarettisten. Obwohl man sich manchmal schon fragen muß, wo das Kabarett aufhört und die Wirklichkeit beginnt.

Chris Haderer