Video_Die Geschwister Savage
Hilflose Helfer
In Tamara Jenkins´ Drama rund um die zweifelhaften Freuden des Älterwerdens soll ein chaotisches Geschwisterpaar dem entfremdeten, demenzkranken Vater zur Seite stehen. Philip Seymour Hoffman und Laura Linney gehen vollends in melancholischer Situationskomik auf.
13.11.2008
Den Leben von Wendy (Laura Linney) und ihrem Bruder Jon Savage (Philip Seymour Hoffman) fehlt es an Richtung, Organisation und Kontrolle. Die Enddreißigerin Wendy versucht krampfhaft, einen Abnehmer für ihr semi-autobiographisch eingefärbtes Theaterstück zu finden, während sie sich mit Gelegenheits-Jobs über Wasser hält und durch eine leidlich spannende Affäre mit dem älteren und verheirateten Larry (Peter Friedman) schleppt. Bruder Jon, Brecht-Fan und College-Dozent, müht sich derweil an einem weiteren Werk über sein literarisches Idol ab. Und wegen seiner Bindungsängste geht nebenbei die Beziehung zur polnischen Freundin den Bach runter.
Ein alarmierender Anruf aus dem Wüstenstaat Arizona, dem letzten bekannten Wohnort ihres fast vergessenen Vaters Lenny (Philip Bosco), vereint Jon und Wendy wieder und stellt sie gleichzeitig vor eine immense Aufgabe. Nach dem Tod seiner langjährigen Freundin Doris (Rosemary Murphy) geht es mit dem Gesundheitszustand des betagten Lenny rapide bergab. Die Geschwister Savage, die ihrem alten Herrn schon seit Jahren nichts mehr zu sagen haben, werden mit der Obsorge für den gebrechlichen Papa betraut.
Drehbuchautorin und Regisseurin Tamara Jenkins begegnet dem Thema Altersdemenz mit Humor und einer gewissen Gelassenheit. Überhaupt rückt das Drama um den rasant abbauenden Lenny mit der Zeit ein wenig in den Hintergrund, konzentriert sich Jenkins doch vorrangig auf das Dilemma zweier genötigter Helferfiguren, die selbst um emotionale und berufliche Stabilität ringen. Weder der äußerlich abgeklärt und zuweilen zynisch auftretende Jon, noch die orientierungslose, nach Aufmerksamkeit heischende Wendy verfügen über ausreichende fürsorgliche Kapazitäten, um sich auf das Katastrophenszenario rund um ihren sterbenden Vater einzulassen. Beim Versuch, dem eigenen Leben eine neue Richtung zu geben und der bislang verstolperten Existenz auf stabilere Bahnen zu verhelfen, wirkt die tickende Zeitbombe Lenny als zusätzlicher unberechenbarer Entstabilisator.
Jenkins kann sich auf zwei der fähigsten Charakterdarsteller verlassen, die das amerikanische Kino derzeit zu bieten hat. Linney und Hoffman füllen ihre Parts als ungleiches Geschwisterpaar mit ähnlich gelagerten Lebensproblemen bestens aus und ergänzen einander wunderbar. Das Hoffmansche Chamäleon mimt den vermeintlich abgebrühten Literaturdozenten, der die Dinge beim Namen nennt und die Karriereambitionen seiner jüngeren Schwester skeptisch beäugt, mehr als souverän - zuweilen direkt oder auch grüblerisch und dabei doch immer authentisch. Linney zeigt sich in ihrer Rolle ein wenig angriffslustiger und läßt ihrem Filmbruder eine aufopfernde, hilflose und zuweilen trotzige Wendy entgegentreten.
Eine durch diverse Entwicklungsstadien natürlich wachsende Handlung kann Tamara Jenkins allerdings nicht aufbieten. Sie bettet ihre beiden Protagonisten vielmehr in eher isoliert und unabhängig voneinander funktionierende tragikomische Situationen ein. Auch wenn sich dabei keine Überraschungen einstellen, halten der kluge Humor des Drehbuchs und das ausgewogene, symbiotische Spiel der Hauptdarsteller "The Savages" auf einem insgesamt lobenswerten Level.
Dietmar Wohlfart
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